Derek Landy
fest, dass er fürchtete, sein Schädel
könnte platzen. Eines wusste er: Wenn er fiel, war das sein Ende. Er musste auf
den Beinen bleiben. Solange er sich auf den Beinen halten konnte, hatte er eine
Chance, sie loszuwerden und abzuhauen.
Eamon trat in die Milchpfütze neben dem bewusstlosen Jogger
und rutschte auf dem nassen Eis aus. Er stürzte und die junge Frau lachte, bis
er auf der Straße lag.
SCRUTINUS
Geoffrey Scrutinus schaute der hysterischen Frau tief in die
Augen und sagte: "Nein, haben Sie nicht."
Sie packte seinen Arm, Tränen liefen ihr über das Gesicht.
"Doch, ich schwöre es! Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich habe diese
... diese Dinger gesehen, diese Schattendinger, die den Leuten in den Mund
gekrochen sind!"
"Sie haben das alles nicht wirklich gesehen",
versicherte ihr Scrutinus. Er sprach ruhig und hielt Augenkontakt. Sein
Kraushaar stand in dieser Nacht besonders wild ab, doch er hoffte, sie würde
das ignorieren und ihm weiter in die Augen sehen. "Und Sie spüren jetzt
auch keine Panik. Sie sind schon viel ruhiger."
Sie nickte und holte tief Luft. "Stimmt, das bin ich.
Aber ich habe trotzdem gesehen, wie -"
"Sie haben gesehen, wie Leute gewalttätig wurden",
unterbrach Scrutinus sie. "Und dann sind Sie rausgerannt. Das mit
anzusehen war ein ziemlicher Schock, nicht wahr?"
"Oh ja, das war es."
"Sie sind froh, dass Sie zum richtigen Zeitpunkt
gegangen sind."
"Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich
bin!"
"Sie werden jetzt nach Hause gehen, sich ins Bett
legen, und morgen früh werden Sie sich nicht mehr an all die schlimmen Sachen
erinnern, die heute Nacht passiert sind."
Sie ließ seinen Arm los und schenkte ihm ein unsicheres
Lächeln. "Ich muss jetzt wirklich gehen. Danke für Ihre Hilfe, aber ich
-"
"Keine Ursache. Kommen Sie gut nach Hause."
Die Frau lächelte, wickelte sich fester in ihren Mantel und
eilte davon. Scrutinus ging sofort zu seinem Wagen. Er zog sein Handy aus der
Tasche und wählte.
"Das ist schlecht", meinte Philomena Random nach
den ersten paar Sätzen.
"Es klingt ganz nach Restanten", fuhr Scrutinus
fort. "Brich die Sache ab. Wir werden das nicht aufhalten können und es
ist zu gefährlich hier draußen. Geh zum Großen Saal zurück. Wir sehen uns dann
dort."
Er legte auf und hörte einen Schrei. Leise fluchend ging er
bis zum Ende des Blocks, lugte um die Ecke und sah, wie ein dicker Mann einen
Polizisten in eine Schaufensterscheibe warf. Die Scheibe bekam einen Sprung und
der Polizist prallte zurück. Er war übel zugerichtet, blutete und konnte sich
kaum auf den Beinen halten.
"Ich hasse Menschen", knurrte der Dicke. "Fleischklöpse
seid ihr, mehr nicht. Eklige Fleischklöpse."
Nicht zum ersten Mal wünschte Scrutinus, seine gewählte
magische Disziplin würde auf Kampftechniken aufbauen - dann wären Situationen
wie diese nicht mit so viel Angst behaftet. Tatsache war schlicht und
ergreifend, dass er Gewalt hasste, sie immer schon gehasst hatte, was aber
hauptsächlich daran lag, dass er ein miserabler Kämpfer war.
Der Polizist sammelte seine letzten Kräfte und holte zum
Schlag aus. Er traf den Dicken auch, doch der blieb ungerührt.
"Schau dir nur mal an, was ich trage", sagte der
Dicke und schlug seinerseits zu. Der Polizist krümmte sich und rang nach Luft.
"Die Sachen stinken. Riechst du es? Sie stinken. Du stinkst. Ihr alle
stinkt."
Was sollte er nur tun? Sollte er an der Straßenecke stehen
bleiben und zusehen, wie ein Restant einen Sterblichen umbrachte - nur weil er
nicht in eine Schlägerei verwickelt werden wollte? Das widersprach seinem
Verhaltenskodex, oder? Zumindest hätte es ihm widersprochen, wenn er einen
gehabt hätte. Er wünschte, er hätte sich die Mühe gemacht und einen
Verhaltenskodex zusammengestellt, dann wären Situationen wie diese viel
einfacher zu lösen gewesen.
Der Dicke schloss eine fleischige, verschwitzte Hand mit
Wurstfingern um den Hals des Polizisten und drückte ihn gegen die Wand. Der
Polizist wehrte sich und trat nach ihm, doch sein Gesicht lief bereits blaurot
an.
Scrutinus setzte eine finstere Miene auf und trat in Aktion.
"Entschuldigen Sie", sagte er.
Der Dicke drehte den Kopf. "Was? Wer ist da?"
Scrutinus lugte um die Ecke und winkte kurz. "Hm, ich.
Ich werde, äh, ich werde Sie jetzt bitten müssen, diesen Sterblichen
wegzulegen."
"Tatsächlich?", fragte der Dicke höhnisch.
"Es ... es tut mir leid, aber ich muss darauf
bestehen."
Der Dicke lachte und verstärkte
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