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Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Titel: Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ein Blackout vor, sprich: die Zensur.
    Danach kommen, wenn nicht aus anderen, aus chronologischen Gründen, die achtziger Jahre, von denen man heute bloß überall das aufsteigende Yuppietum und bei uns die verallgemeinerte Korruption sowie die Aufweichung 87
    der Ideologien sieht. Aber in fünfzig Jahren werden wir dieses Jahrzehnt als eines der wichtigsten des Jahrhunderts sehen, dasjenige, in dem sich – traumatisch, gewiß, aber unwiderruflich – die großen Knoten auflösen, die uns seit dem Ende des Ersten Weltkriegs in Starre versetzt oder fasziniert hatten, von den großen totalitären Utopien bis zum Kalten Krieg. Es beginnt die Auflösung der großen Imperien, Europa schickt sich an, seine politische Geogra-phie zu verändern, viele Minderheiten werden, wenn auch mit riesigen Widersprüchen, offiziell anerkannt, die Parteien, die die politische Szene beherrscht hatten, beginnen sich nach ihrer Identität zu fragen, die klassische Auftei-lung zwischen rechts und links restrukturiert sich (nicht nur der Marxismus gerät in die Krise und besinnt sich neu, im selben Jahrzehnt beginnt auch der selbstkritische Weg der extremen Rechten, auch wenn sich rechts von der extremen Rechten und links von der extremen Linken neue radikale Gruppen bilden), neue lagerübergreifende Initia-tiven entstehen, von der Ökologie bis zum Engagement in vielerlei Hilfsorganisationen. Zur selben Zeit beginnt in massiver Form die große Migration der Dritten Welt zur Welt des Wohlstands, und es kommt zu den (gewiß nicht friedlichen) Vorläufern der ethnischen Transformation Europas. Der Fall der Berliner Mauer ist das bloß noch symbolische Ereignis, das ein Dezennium epochaler Veränderungen krönt. Und schließlich, ob es gefällt oder nicht, setzt zu Beginn des Jahrzehnts eine gewaltige Revolution ein, deren Auswirkungen für die Zukunft wir gerade erst ahnen: Der Personal Computer tritt auf den Plan.
    Kann man ein so entscheidendes Jahrzehnt mit einem bedauernden Lächeln abtun, vielleicht genau jenes, in dem wir vom zwanzigsten zum einundzwanzigsten Jahrhundert übergegangen sind (ob dieses nun schön oder häßlich zu werden verspricht)? Kann man es nur im Licht seiner 88
    oberflächlichen Erscheinungsformen und seiner kurzfristi-gen Moden sehen, als hätten die fünfziger Jahre nicht auch ihr Dolce vita gehabt und die sechziger ihre entfesselten Tänze in psychedelischen Farben? Als würde man von den schrecklichen siebziger Jahren eines Tages nur noch in Erinnerung haben, daß damals die ersten Säle mit roten Lich-tern eröffnet wurden?
    1997
    89
    III

    ERHABENER SPIEGEL
    DER WAHREN SPRÜCHE
    Verhaltens- und Redeweisen,
    Manien und Moden

    Derrick
    oder die Leidenschaft für das Mittelmaß
    Die Derrick-Serie erfreut sich auch in Italien großer Be-liebtheit. Im Licht des gesunden kritischen Menschenverstandes gäbe es keinen Grund, warum sie den Leuten gefallen sollte. Der Protagonist hat einen wäßrigen Blick und das traurige Lächeln eines geborenen Witwers, er trägt Anzüge von der Stange mit grauenvollen Krawatten, und seine Mitstreiter gehen in Lederjacken und Jeans, die nicht einmal richtig verwaschen sind. Die Innendekors stürzen noch den muntersten Possenreißer in unheilbare Betrübnis, und die Außenaufnahmen zeigen das Schlimmste, was
    Bayern zu bieten hat (dabei gäbe es dort wahrhaftig Besseres zu sehen).
    Man könnte nun meinen, zumindest das detektivische Grundmuster der Geschichten sei originell und Derrick er-obere sein Publikum durch Proben von außergewöhnlicher Intelligenz. Doch das Grundmuster hat, im Verhältnis zu den Detektivgeschichten von einst, nur eine sehr abge-standene Neuheit, die schon weidlich von der Columbo-Serie ausgeschlachtet worden ist: Das Publikum weiß sofort, wer der Täter ist und wie er die Tat begangen hat. Der Reiz besteht darin, zu sehen, wie der Polizist, der es nicht weiß, den Täter errät und ihn anhand sehr spärlicher Indizien dazu bringt, sich zu verraten.
    Aber Columbo (der übrigens nicht schlechter als Derrick gekleidet ist, denn er pflegt einen Schlabberlook avant la lettre )bewegt sich mit seinen proletarischen Manieren in einer Welt schöner, reicher und mächtiger Kalifornier, die ihn wie einen Fußabtreter behandeln (wozu er sie ermun-91
    tert), in der Gewißheit, daß es diesem schäbigen Nachkommen zwielichtiger Immigranten nicht gelingen wird, ihre Deckung zu durchbrechen und die Barriere ihrer glän-zenden Arroganz einzureißen. Columbo, der es

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