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Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Titel: Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ich ihm nach, »auch im Namen aller Kinder der Welt.«
    1993
    162
    Mama, was bedeutet »Bruder«?
    Perspektiven für das dritte Jahrtausend
    Kürzlich las ich wieder mal eine der bizzarren Statistiken, die uns das Magazin des Corriere della sera jeden Freitag beschert. Demnach werden sich die Italiener aufgrund ihrer kontinuierlich sinkenden Geburtenrate im Jahre 2030
    auf lediglich 18 oder sogar bloß 11 Millionen reduziert haben. Um ihren Nachwuchsmangel zu kompensieren, wä-
    ren mindestens 300000 Einwanderer pro Jahr erforderlich.
    Ich gebe diese Zahl an die über den Verfall und die Verunreinigung unserer Rasse besorgten Parteien weiter. Hoffen wir nur, daß ihre Adepten nicht darauf verfallen, Abhilfe durch beschleunigte Vermehrung ihrer selbst zu schaffen, denn in puncto Verunreinigung weiß ich nicht, welche die schlimmere wäre.
    Aber auch bei fortlaufendem Austausch durch Einwanderer, um die gegenwärtige Geburtenrate aufrechtzuerhal-ten, werden die Italiener irgendwann zwischen 2150 und 2200 vom Angesicht der Erde verschwunden sein. Menschen aller Hautfarben werden an ihre Stelle treten, und wir werden uns ungefähr in der Situation befinden, in der das Römische Reich vor seinem Zusammenbruch war;
    vielleicht könnte eine sarmatische Welle oder eine Reihe von Anreizen für die Grönländer dazu führen, daß eine ganz neue Bevölkerung entsteht, die sich brav in die Schlange stellt und ihre Steuern bezahlt. Wahrscheinlicher dürfte es sein, daß die Apenninenhalbinsel ein Durch-gangsland ohne feste Ansiedlungen wird.
    Doch zurück zu den Statistiken. Da in anderen Kontinen-ten die Geburtenrate kontinuierlich steigt, werden im Jahre 163
    2025 zwei Milliarden und zweiundvierzig Millionen Menschen zwölf bis vierundzwanzig Jahren alt sein. Die meisten davon werden meninhos da rua sein: Straßenkinder, Bewohner der Wellblechbarackenstädte. In Afrika wird die Stadtbevölkerung im nächsten Jahrhundert zu 80 Prozent aus Jugendlichen bestehen; andererseits werden 23
    Prozent aller Jugendlichen in einer asiatischen Megalopo-lis und 21 Prozent in einer südamerikanischen Megalopo-lis leben. Ich stelle mir vor, es werden Städte mit mindestens 60 Millionen Einwohnern sein; und durch die
    Vergiftung der Umwelt wird sich die Zahl der Alten noch weiter vermindern.
    Kein Grund zur Aufregung: So wie die Etrusker ver-
    schwunden sind, werden auch die Italiener verschwinden.
    Seit einiger Zeit wird ja schon gesagt, daß wir uns auf ein farbiges Europa einrichten müssen, und das wahre Problem ist, ob diese Nicht-Europäer dann noch an die Sorbonne und nach Oxford gehen können (vergessen wir
    nicht, daß auch Augustinus ein Afrikaner war). Wenn jedoch auch Siena – nur so als Beispiel – ein Mega-Slum würde, bewohnt von chinesischen Jugendlichen, die auf kongolesische Jugendliche schießen, dann wäre das schade (für Siena, für die Chinesen und für die Kongolesen).
    Ich gehöre zu denen, die der Meinung sind, daß es, um die Bevölkerungsexplosion einzudämmen, einer klugen Politik der Erziehung zur Geburtenkontrolle bedarf. Das Vertrauen, das viele in die Vorsehung haben, kann mich nicht beruhigen. Und da die Schönheit dieses Planeten auch aus den kulturellen und ethnischen Unterschieden besteht, könnte Geburtenkontrolle heißen, die Geburten auch positiv zu kontrollieren; damit will ich sagen, daß es zwischen der Vorstellung, die Italiener sollten sich über die Welt verstreuen und sie erobern, und der Meinung, es wäre nicht weiter schlimm, wenn sie verschwänden, viel-164
    leicht einen Mittelweg gäbe: Vielleicht würde es sich loh-nen, einige Italiener zu behalten (wenn auch gebührend vermischt mit Zugewanderten). Aber nötig wäre in jedem Fall eine wohldurchdachte Erziehung zu vernünftiger und verantwortlicher Fortpflanzung.
    Freilich können auch solche Lösungen zu kuriosen, um nicht zu sagen dramatischen Konsequenzen führen. Letzte Woche machte mich ein Freund darauf aufmerksam, was geschehen könnte (ja sicher geschehen würde), wenn man überall in der Welt die von den Chinesen beschlossene Notlösung übernähme: Jedes Paar darf nur ein Kind haben. So gesagt, klingt es ganz vernünftig: pro Familie nur ein neuer Italiener, nur ein neuer Kongolese, nur ein neuer Inder usw. Die gegenwärtigen Proportionen (nach denen die Albaner geringer an Zahl sind als die Japaner) blieben mehr oder minder erhalten, und vielleicht bliebe auch ge-nügend Raum und Nahrung für alle. Aber Vorsicht. Nach zwei bis

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