Des Christliche Teutschen Herkules [...] Wunder-Geschichte
unsern Feinden gerne vergeben. Das Fråulein fiel ihm hieselbst in die Rede / und sagte: Ich habe Gott Lob alles wol verstanden / was mein Schaz mir an stat einer Erklärung mitgeteilet hat / und ich solchen Verstand von mir selbst nicht würde gefunden haben. Aber es fält mir bey dieser fünften Bitte eine Frage ein / ob wir dann den Wendische Räubern / Krito / Gotschalk / uñ ihren Gehülffen auch die Beleidigung vergebe / und sie deswege ungestrafft lassen müssen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit selbst / daß solche Räuber und Gewalttähter gestraffet werden. Der Fürst antwortete: Mein Fräulein tuht wol / daß sie diesen Einwurff auffgelöset zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Sünde / welche vorsezlicher muhtwilliger weise begangen werden / als da sind / Mord / Raub / Diebstahl / Ehebruch und dergleichen / hat Gott in seinem Wort ernstlich gebohten / daß sie von der Obrigkeit gestraffet werde / so gar / daß wo dieselbe inbestraffung solcher Boßheit nachlåssig ist / wil Gott diese Nachlåssigkeit hart und schwer an der Obrigkeit straffen; aber solche Straffe mus nit ergehen aus Nachgier oder sonderlicher Feindschafft wieder denselben der solche Boßheit verübet hat / sondern es mus geschehen aus Liebe zur Gerechtigkeit / und aus gehorsam gegen Gott; und mus doch inzwischen / wann die Obrigkeit selbst durch solche Ubeltähter beleidiget wird / mus sie zwar die Ubeltaht an den Tähtern straffen / aber doch so viel an ihnen ist / es dem Beleidiger vergeben / der dannoch dasselbe zur Straffe ausstehen mus was ihm Gott aufferlegt hat. Ein Mensch aber / der nicht Obrigkeit ist / und von seinem Nähesten beleidiget wird / mus nicht sein eigen Richter oder Rächer seyn /sondern der Obrigkeit es klagen / derselben es als Gottes Dienerin in die Hand geben / und in allem ohn Rachgier verfahren. Jedoch ist niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn / wann er von einem andern mördlich überfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden /sagte das Fräulein / und ist mir mein zweifel dadurch benommen / wolle demnach mein Schaz in Erklärung der übrigen zwo Bitten fortfahren. Die sechste Bitte /antwortete Arbianes lautet also / Und führe uns nicht in versuchung. / Die versuchung ist zweyerley; Eine heilsame / und eine schädliche Versuchung. Die heilsame rühret her von Gott / und ist diese / wann er uns zeitliches Unglük zu schicket / durch welche er uns von den weltlichen Lüften abzihen / und zu seinem Gehorsam leiten; oder dadurch er unsere Geduld und Beständigkeit im Glauben prüfen und bewehren wil. Welche Versuchungen / weil sie uns gut und zur Seligkeit beföderlich sind / müssen wir von Gott willig annehmen / und nicht wieder seine Schickungen murren / sondern nur bitten / daß Gott gnädig seyn /und dieselben uns nicht zu schwer machen wolle. Die andere Versuchung ist die schädliche / da ein Mensch versuchet oder angetrieben wird zu einer oder andern groben Sünde / oder wann er wegen der begangenen Sünde versuchet und angetrieben wird zur Verzweifelung; welche aber nicht von Gott herrühret / sondern von dem Teuffel / von den gottlosen verführischen Leuten / und wol von unserm eigenen bösen willen des üppigen Fleisches. Daß wir nun in dieser sechsten Bitte sprechen: Du lieber himlischer Vater / führe du uns nicht in Versuchung / ist also zuverstehen; du
gnädiger Gott / gib es doch dem Teuffel / oder den gottlosen Menschen / oder unsern sundlichen Begierden nicht zu / daß wir von ihnen durch schädliche Versuchungen zur Sünde / noch hernach zur Verzweifelung verführet werden / sondern steure und wehre denselben / und wende solche Versuchungen gnädiglich von uns abe. In der siebenden und lezten Bitte fassen wir nun alles zusammen / daß uns Gott von allem schädlichen übel Leibes und der Seele erlösen wolle / und solches alles wolle er nach seiner Gnade durch seine Kraft an uns verrichten. Welches wir mit einem gläubigen Amen beschliessen / durch welches Wort wir bezeugen / wir haben den ungezweifelten Glauben / und die Hoffnung zu Gott unserm himlischen Vater / er werde uns umb seines lieben Sohns willen erhören / und uns die Bitte geben /die wir von ihm gebehten haben. Nach geendigter dieser Auslegung des Vater unsers / ermahnete er das Fräulein / daß wann unser Gott uns Ungluk und Wiederwertigkeit zuschickete / müsten wir nicht unwillig auff ihn werden / oder gar von ihm abfallen / sondern wann er uns gleich gar tödten und umbkommen liesse / müsten wir ihm doch nicht
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