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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Jubel und Hochrufe ausbrechen.
    Bolitho beugte sich vor und sah Allday direkt unter seinem Fenster stehen. Er lehnte an einem Torpfeiler der Herberge und hielt eine kalte Tonpfeife zwischen den Zähnen.
    In der Zwischenzeit waren seine Wunden verheilt, und das verletzte Auge hatte seine volle Sehkraft wieder. Dennoch wirkte er verändert: stiller, weniger zu Spaßen aufgelegt. Ihm und Allday ging es wie Herr und Hund, die beide in Ehren ergraut waren, dachte Bolitho. Jeder kannte nur
eine
Angst: daß der andere vor ihm sterben könnte. War das Treue – oder schon viel mehr?
    Wahrscheinlich stand jetzt auch Paice dort unten und sah zu, in Gedanken ganz bei der Vergangenheit.
    Die Pferde tänzelten immer nervöser, und der Major hob einen Arm, um die Ordnung wieder herzustellen.
    »Dieser Delaval war ein Schurke«, sagte Drew leise. »Aber im Augenblick kann man ihn nur bemitleiden.«
    »Möge er in der Hölle schmoren«, erwiderte Bolitho ebenso leise.
    Er hatte schon anderen Hinrichtungen beigewohnt – zu vielen, dachte er –, aber da waren die Delinquenten meist Seeleute gewesen, die zur Strafe für Meuterei oder Schlimmeres von ihren eigenen Kameraden am Hals zur Rahnock hinaufgezogen wurden. Dieses Schauspiel hier unterschied sich seiner Meinung nach kaum von den Exzessen der Madame Guillotine jenseits des Kanals.
    Ein Henkersknecht legte Delaval die Schlinge um den Hals, doch als er ihm die Augen verbinden wollte, schüttelte er den Kopf. Er wirkte beherrscht, sogar gleichgültig, als er den am nächsten Stehenden etwas zurief. Seine Worte gingen, wie zuvor die Gebete des furchtsamen Kaplans, im Geschrei und Jubel der Menge unter.
    In diesem Augenblick bog eine elegante dunkelrote Kutsche mit goldenem Wappen auf dem Schlag in den Platz ein und rollte am Rand des Menschenauflaufs nach vorn, bis der Kutscher sie zum Stehen bringen konnte.
    Auch Delaval mußte sie gesehen haben, denn er starrte mit hervorquellenden Augen hinüber. Er schrie noch etwas, aber da gab die Falltür unter ihm nach, und er hing strampelnd am Strick, während seine Exkremente die feinen Seidenbreeches besudelten.
    Die Kutsche rollte wieder vom Platz, doch Bolitho hatte noch das Gesicht des Mannes im offenen Fenster gesehen.
    Es lächelte, bis die Kutsche außer Sicht kam.
    Die Menge war verstummt, entweder aus Abscheu oder aus Enttäuschung, weil das Schauspiel fast vorüber war.
    Immer noch zappelte Delavals Körper wie eine Marionette am Seil. Es dauerte mehrere Minuten, bis der Mann, der gemordet, vergewaltigt und geschmuggelt hatte, sein Leben aushauchte. Seinen starrsinnigen Trotz hätte er vielleicht bis in den Tod bewahrt, wäre nicht zuletzt die elegante Kutsche mit dem lächelnden Insassen aufgetaucht.
    Mit zitternden Knien wandte sich Bolitho vom Fenster ab.
    Er hatte dieses Gesicht schon gesehen: auf der Straße nach Rochester, zusammen mit dem Sheriff und seinem Mob. Es war das fehlende Stück im Puzzle.
    Er sah den Konteradmiral an. »Nun also – darf ich fragen, warum ich hier bin, Sir Marcus?«
    Die violetten Schatten der Häuser wuchsen schon in die Länge, Bolitho spürte eine kühle Abendbrise im Gesicht.
    Der Tag mit Konteradmiral Drew war ihm lang geworden, denn der Mann war so ängstlich darauf bedacht, seinen sicheren Posten bei der Admiralität nicht zu gefährden, daß ihr Gespräch unverbindlich und ergebnislos geblieben war.
    Konkret hatte Bolitho lediglich erfahren, daß sie sich hier in Dover mit einer wichtigen Persönlichkeit treffen sollten: mit Lord Marcuard.
    Bolitho hatte schon von ihm gehört und gelegentlich auch in der Gazette über ihn gelesen. Der Lord besaß großen Einfluß, stand außerhalb der Kontrolle des Parlaments und wurde häufig an den Hof gerufen, um keinem geringerem als dem König zu raten.
    Drew hatte ihn gewarnt: »Hüten Sie sich, Seine Lordschaft zu provozieren oder zu irritieren, Bolitho. Damit würden Sie nichts erreichen und sich selbst nur schaden.«
    An dem leeren Schafott unten wurde jetzt gearbeitet.
    Morgen sollten zwei Räuber, welche die Straße nach Dover unsicher gemacht hatten, das Schicksal Delavals teilen. Ihre Hinrichtung würde eine noch größere Zuschauermenge anziehen.
    Dieser Drew war so typisch für seine Species, dachte Bolitho verbittert. Im Krieg erwartete man dann von jungen Kommandanten, daß sie die Befehle und Instruktionen von Männern wie ihm notfalls unter Einsatz ihres Lebens ausführten; von Stabsoffizieren, die in bequemen Friedenszeiten nach

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