Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
führte angeblich zu niedrigen Zinsen in den USA, die wiederum die privaten Haushalte dazu verleiteten,
sich zu überschulden, und es Finanzmarktakteuren leicht machten, sich mit billig geliehenem Geld in riskante Finanzabenteuer
zu stürzen. Und das wurde vor allem durch die inadäquate Regulierung ermöglicht. Kein Wort sagte der Rat zur Ungleichheit
der Einkommens- und Vermögensverteilung als Krisenursache. Es ist also nicht überraschend, dass der SVR angesichts der Erfahrungen
mit der amerikanischen Geldpolitik zur konjunkturpolitischen Zurückhaltung mahnte. Lediglich auf den Finanzmärkten sah der
Sachverständigenrat einen erheblichen Regulierungsbedarf. Damit hatte man aus seiner Sicht genug zur Krisenbewältigung getan.
Schneller als die Feuerwehr: Die USA und Großbritannien
Ganz anders war die Haltung in den USA und Großbritannien. Hier spielte sicherlich die engere Verbindung der Politik zum Finanzsektor
eine große Rolle. Sie führte dazu, dass die Nöte des Finanzmarkts |130| relativ schnell und mit dem Stempel »Dringlich!« versehen auf dem Tisch der Regierung landeten. Generell gibt es dort aber
auch eine pragmatischere Herangehensweise an ökonomische Probleme. Außerdem hat die amerikanische Notenbank mit Ben Bernanke
einen Präsidenten, dessen wissenschaftlicher Ruf sich auf seine Arbeiten zur Großen Depression begründet. Vor diesem Hintergrund
bildete sich in den USA und Großbritannien rasch eine klare politische Grundhaltung, heraus: Die Wirtschaftspolitik musste
die Krise aktiv an allen Fronten bekämpfen und sollte nicht passiv auf die Selbstheilungskräfte des Marktes vertrauen. In
den asiatischen Volkswirtschaften, wo der Staat ohnehin eine aktivere Rolle im Wirtschaftsgeschehen spielte, hatte man sich
ebenfalls schnell für staatliche Eingriffe entschieden.
Dies war ein Bruch mit jener Linie, die allenfalls geldpolitische Interventionen duldete. Fiskalpolitisch ließ der Mainstream
im Grunde nur das Wirken der automatischen Stabilisatoren gelten – also gesetzlich fixierte Zahlungen der Arbeitslosenversicherungen
beziehungsweise niedrigere Steuereinnahmen infolge von Einkommensverlusten. Zu Recht wiesen aber Bernanke und andere amerikanische
Ökonomen wie Paul Krugman darauf hin, dass dies in der gegenwärtigen Situation eine Überforderung der Geldpolitik darstellte.
Angesichts der schweren Bankenkrise musste deren Wirksamkeit eingeschränkt sein, weil die Verbindung zwischen dem Finanzsektor
und dem Rest der Wirtschaft gestört ist, wenn die Kreditvergabe nicht reibungslos verläuft. Daher sei es erforderlich, dass
in dieser Situation die Fiskalpolitik über die automatischen Stabilisatoren hinaus mit Konjunkturprogrammen aktiv würde.
Abgesehen von allen technischen und prinzipiellen Überlegungen ging es bei dieser Reaktion in den USA und Großbritannien natürlich
vor allem um eine Vertrauensbildung in der Wirtschaft. Wenn man den Ereignissen einfach ihren Lauf lassen würde, stand zu
befürchten, dass die Panik der Marktakteure immer weiter steigen würde. Das aber hätte zwangsläufig zu einer stetigen Verschärfung
der Krise geführt. Also gehörte es schlicht zum guten Handwerk, |131| dass die Wirtschaftspolitik über ihre Konjunkturprogramme zumindest das Signal setzte, sich der Krise entgegenzustemmen. Allein
schon dieses Signal trägt zur Beruhigung bei und hilft folglich, die Krise zu überwinden.
In Deutschland und in der EU führte man stattdessen zunächst quälend langwierige Debatten über das Für und Wider von konjunkturpolitischer
Stabilisierung im Allgemeinen und einer europäischen Koordination dieser Maßnahmen im Besonderen. Man fürchtete, Konjunkturprogramme
könnten die Staatsverschuldung in schwindelerregende Höhen treiben. In Deutschland ging außerdem die Angst um, dass die anderen
Mitgliedsländer des Euroraums ihre Konjunktur primär auf Kosten der deutschen Steuerzahler stimulieren wollten. Deshalb war
die Bundesregierung nicht nur gegen Konjunkturprogramme, sondern vor allem auch gegen eine europäische Koordination dieser
Programme.
Krise und Rettung des Finanzsektors
In der ersten Phase des Krisenmanagements war der Druck zum wirtschaftpolitischen Handeln vor allem im Finanzsektor spürbar.
Das begründete Misstrauen und die Panik im Interbankenhandel brachten den Geldverkehr schon seit Ende 2007 zunehmend aus dem
Gleis. Durch den Wertverfall der modernen Finanzmarktpapiere gerieten
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