Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Institute mithilfe ihrer Simulationsmodelle zwar, um wie viel die Konjunkturprogramme
das Wachstum nun tatsächlich erhöht haben – 1,0 bis 1,5 Prozent in der Spitze –, fordern aber im gleichen Atemzug einen möglichst
schnellen Ausstieg aus der expansiven Finanz- und Geldpolitik, die angeblich nicht helfen konnte, dann aber doch geholfen
hat, dennoch aber möglichst schnell wieder aufzugeben sei. 42 Wer kommt da noch mit? Es ist wohl sehr schwer, sich in Verhältnissen zurechtzufinden, die theoretisch einfach nicht vorgesehen
sind.
Die Geldpolitik quälte sich gleichfalls, aber schneller. Noch im Sommer 2008, als die Krise sich gerade voll entfaltete, hatte
die EZB, aus Angst vor einer Inflation, die Zinsen erhöht. Doch schon wenige Wochen später stellte die EZB in Kooperation
mit der Fed und anderen großen Zentralbanken vor dem Hintergrund der Lehman-Pleite dem Bankensystem massiv Liquidität zur
Verfügung (92 Mrd. Euro). 43 Ab Oktober 2008 senkte sie dann in raschen Schritten den Leitzins. Das nenne ich eine dramatische Kehrtwende in großer Not.
Nicht viel besser erging es der Wirtschaftspolitik, die sich ja an den Vorstellungen der Ökonomen orientierte. Das kann man
gut am Beispiel der Fiskalpolitik sehen. Noch Ende Oktober 2008, also nach der Pleite der Lehman-Bank und den massiven Interventionen
der Zentralbanken, lehnte der damalige Finanzminister Steinbrück die Forderung nach einem Konjunkturpaket in Höhe von 1 Prozent
des Bruttoinlandsprodukt »kühl« 44 ab – um wenige Wochen später |141| ein Programm mit mehr als dem doppelten Volumen aufzulegen. So schnell kann das gehen!
Binnen kurzer Zeit wurden tief verwurzelte ökonomische Überzeugungen in Wort und Tat über Bord geworfen. Man konnte den Akteuren
aber ihr schlechtes Gewissen förmlich ansehen – hier handelte niemand aus tiefster Überzeugung, und das hatte Folgen, wie
sich noch zeigen wird. Aber dazu später mehr.
Die Konjunkturkrise und die Wirkung alter Rezepte
Wer glaubte, man müsse nur den Finanzsektor stabilisieren, um die Krise zu überwinden, wurde schnell enttäuscht. Noch während
die Rettungsmaßnahmen im Bankensektor anliefen, brach die Weltkonjunktur ein. Die zweite Phase des Krisenmanagements begann.
Die globale Gleichzeitigkeit und die Dramatik des Absturzes hätten ein sofortiges, eindeutiges und synchrones wirtschaftspolitisches
Handeln erfordert. Doch welches Handeln? In den angelsächsischen und in den asiatischen Ländern war dies kein Thema für lange
Diskussionen. Den Wirtschaftspolitikern dort war offenkundig sofort klar, dass nur die alten Rezepte des Keynesianismus Hilfe
versprachen. An eine selbsttätige Heilung der Gütermärkte mochte nach dem Desaster auf den Finanzmärkten niemand mehr glauben.
Also wurden rasch stimulierende Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. Kontinentaleuropa, besonders Deutschland, brauchte
wieder einmal mehr Zeit – wir wissen mittlerweile, warum. Schlussendlich gab man dem Druck auch hierzulande nach – es gab
einfach keine eigenen Alternativen. Nachdem sowohl einzelne Wissenschaftler in Deutschland als auch Regierungen innerhalb
des Euroraums auf die Dringlichkeit von konjunkturpolitischen Maßnahmen hingewiesen hatten, kam es zur Verabschiedung des
Konjunkturprogramms 1. Das geschah Anfang November 2008, als der konjunkturelle Abschwung schon eine beängstigende Dimension
erreicht hatte.
In diesen ersten Wochen der Konjunkturkrise stellte sich den Wirtschaftspolitikern |142| eine Frage, die von den Ökonomen gar nicht oder nur kontrovers beantwortet wurde: Wie sieht eigentlich eine effiziente Konjunkturpolitik
aus, bei der mit möglichst geringen Mitteln ein Höchstmaß an stimulierender Wirkung erzeugt werden kann? Die Antwort auf diese
Frage war im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte, in denen niemand ernsthaft über Konjunkturpolitik nachgedacht hatte, einfach
verloren gegangen. Es gab also neben den theoretischen Vorbehalten auch schlichte praktische Unkenntnis, die einer schnellen
Reaktion im Wege stand.
Wenig überraschend nutzten viele Lobbyverbände und politische Parteien die Debatte um Konjunkturprogramme, um die wirtschaftspolitischen
Steckenpferde ihres jeweiligen Verbandes als
das
ultimative Konjunkturprogramm anzupreisen. Nur so ist die eine oder andere Denkkapriole erklärlich, die es in dieser Zeit
gab. So mutierten beispielsweise die Pläne von CSU und FDP, die Steuern zu senken – was
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