Des Satans Schatten
hatte ich doch das Gefühl, dass sie in dieser Nacht ein vergleichbares Eigenleben entfaltete, wie sich überhaupt in meiner Kammer, die von einem imaginären Sturm geschüttelt wurde, das Unterste zuoberst zu kehren schien.
Gleichwohl fielen mir nach wenigen Sekunden die Augen zu, begleitet von einer letzten Überlegung. Einerseits waren unsere Gegner augenscheinlich erfahrene Kämpfer, die äußerst professionell zu Werke gingen. Andererseits schonten sie weitgehend die Gesundheit ihrer Opfer, und das in einer Zeit, in der ein Leben kaum so viel wert war wie ein Weißpfennig. Summa summarum eine unleugbar erstaunliche Bande von Wegelagerern. Ich war gespannt, wann wir aufs Neue mit ihnen zu tun bekämen. Denn dass wir wieder aufeinander treffen würden, stand für mich außer Zweifel.
In Crange
Es würde bestimmt niemandes Talent überfordern, ein Bild zu zeichnen, das meinen Zustand widerspiegelt, als Gernot nur drei Stunden später – und überdies zum wiederholten Male, wie er mir bei der Morgensuppe glaubhaft versicherte – an meine Tür pochte. Weil man es mit der Wahrheitsliebe bisweilen auch übertreiben kann, will ich mir an dieser Stelle die Freiheit nehmen, über die nächsten Stunden meines Daseins den gnädigen Mantel des Schweigens zu decken. Es mag genügen, hier kundzutun, dass wir am Nachmittag die Burg des Grafen von Crange erreichten.
Da niemand den genauen Zeitpunkt unserer Ankunft hätte voraussagen können, gab es auch keinen offiziellen Empfang. Es war ein sonniger Spätfrühlingstag, und in Crange herrschte Alltagsleben. Höker, Händler und Kaufleute waren noch nicht in der Masse erschienen wie zwei Monaten später, wenn es auf den berühmten Pferdemarkt zuging, der die Menschen in Scharen anlocken würde. Doch hier und da hatten sich bereits einige Ortsfremde eingestellt, um in weiser Voraussicht das Terrain zu erkunden und erste Kontakte für spätere Geschäfte zu knüpfen.
Für die Einheimischen war dieses Treiben nichts Neues, und sie gingen ihren gewöhnlichen Verrichtungen nach. Brot, Wurst, Speck und Gemüse wurden feilgeboten und gekauft, Fässer gerollt, Wäschestücke aufgehängt und Holzläden gestrichen. Ein Schwätzchen an der Straßenecke, untermalt vom rhythmischen Klingen eines Schmiedehammers. Ein früher Zecher, der im Schatten hinter einer Bäckerei seinen Rausch ausschlief. Eine Horde Kinder, die mit lautem Gejohle eine fette Sau verfolgten, die auf ihrer Flucht die Kiepe eines Obsthändlers umrannte.
Was mir sofort auffiel, war die Ausbreitung des Ortes seit meinem letzten Hiersein. Hatte die Mühle, in deren Keller wir seinerzeit die Leiche des armen Conrad untersuchten, noch gute dreihundert Schritte vom Ortsrand entfernt gelegen, hatten sie nun kleine Fachwerkhäuser und Stallungen mit winzigen Koppeln fast erreicht. Anscheinend war das Dorf dabei, seinen Ruf in Sachen Pferdehandel zu verfestigen.
Entsprechend gab es nicht mehr nur den einen Schmied am Ort, und es waren auch etliche neue Schenken und Herbergen hinzugekommen, die mit Namen wie
Blutiger Ochse
oder
Goldenes Einhorn
renommierten und stolz ihre Namensgeber auf buntbemalten Schildern zur Schau stellten, die über der Eingangspforte von kunstvoll geschmiedeten Eisenarmen herabhingen.
An der Burg waren die Zugbrücke heruntergelassen und das Tor geöffnet. Abgesehen von zwei Wachen, deren schwerer Dienst darin bestand, in der lauen Luft nicht im Stehen einzuschlafen, war niemand zu sehen, der hier eine offizielle Funktion innehatte.
Angesichts dieser friedlichen Atmosphäre und des gleißenden Sonnenlichts erschien es kaum nachvollziehbar, dass der Satan sich ausgerechnet diesen wunderbaren Flecken Erde ausgesucht haben sollte, die Menschen heimzusuchen und mit seinen Gräueltaten an seine Existenz zu gemahnen.
Gernot, der schon den ganzen Weg durch das Dorf über versucht hatte, etwas loszuwerden, ließ endlich die Katze aus dem Sack. Er wollte so schnell wie möglich zu seiner Ilse, was ich dem Jungvermählten gut nachfühlen konnte. Rodger und ich sollten Manns genug sein, die Zugbrücke auch ohne seine Hilfe überqueren zu können. Deshalb ließen wir ihn mit den Worten ziehen, uns bei Gelegenheit in der Schenke am kleinen Dorfplatz mit ihm treffen zu wollen.
Die beiden schläfrigen Wachen musterten uns nur kurz und entdeckten nichts, was sie dazu veranlassen könnte, uns den Eintritt zu verwehren.
Der Burghof sah noch so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Lediglich ein baldachingleiches
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