Des Teufels Alternative
Premierministerin nachdenklich. »Die Deutschen haben das entführte Flugzeug in Mogadischu und die Holländer den Zug in Assen gestürmt, als ihnen keine andere Wahl mehr blieb. Nehmen wir einmal an, so eine Lage würde wieder eintreten …«
»Dann müßten sie wohl wieder zum gleichen Mittel greifen, Ma’am.«
»Glauben Sie, daß die holländischen Marinesoldaten einer solchen Aufgabe gewachsen wären?«
Sir Julian wählte seine Worte sorgfältig. Im Geist sah er bullige Marines in Whitehall herumstapfen. Nein, es war wirklich besser, wenn diese Leute ihre tödlichen Spiele weit draußen in Exmoor trieben!
»Wenn das Schiff auf See geentert werden müßte«, antwortete er, »käme meiner Ansicht nach eine Hubschrauberlandung nicht in Frage. Die Maschine würde von der Deckwache gesichtet, außerdem ist der Tanker natürlich mit einem Rundsichtradar ausgerüstet. Auch ein Überwasserfahrzeug könnte sich dem Schiff nicht unbeobachtet nähern. Hier handelt es sich nicht um ein abgestelltes Flugzeug oder einen stehenden Zug, Ma’am, sondern um ein Schiff, das über fünfundzwanzig Seemeilen vom Land entfernt vor Anker liegt.«
Damit war das Thema hoffentlich erledigt.
»Welche Chancen hätten bewaffnete Taucher oder Froschmänner, sich dem Tanker zu nähern?«
Sir Julian schloß kurz die Augen. Bewaffnete Froschmänner! Manche Politiker lasen anscheinend zu viele Romane.
»Bewaffnete Froschmänner, Ma’am?«
Die klaren blauen Augen beobachteten ihn unverwandt. »Soviel ich weiß«, sagte die Premierministerin laut und deutlich, »gehören unsere Kampfschwimmer zu den besten Europas.«
»Das halte ich durchaus für möglich, Ma’am.«
»Und wer ist für sie zuständig?«
»Sie gehören zum Special Boat Service, Ma’am.«
»Wer ist in Whitehall der Verbindungsoffizier zu den Special Services?«
»Ein Colonel der Royal Marines im Verteidigungsministerium. Er heißt Holmes.«
Das konnte heiter werden! Das in der Öffentlichkeit bekanntere Gegenstück des SBS, der Special Air Service oder SAS, hatte die Deutschen in Mogadischu unterstützt und war bei der Belagerung in der Balcombe Street eingesetzt worden. Harold Wilson war ganz versessen darauf gewesen, alle Einzelheiten der tödlichen Spiele zu erfahren, die diese Rauhbeine mit ihren Gegnern trieben. Jetzt würden sie eine weitere James-Bond-Nummer aufziehen.
»Bitten Sie Colonel Holmes, an den Sitzungen des Krisenstabs teilzunehmen – natürlich nur in beratender Funktion.«
»Selbstverständlich, Ma’am.«
»Und lassen Sie UNICORNE zusammentreten. Ich möchte, daß Sie den Vorsitz übernehmen, sobald die Forderungen der Terroristen bekannt sind.«
Jenseits der Nordsee hatte sich in den Niederlanden bereits am Vormittag eine hektische Aktivität entwickelt.
In seinem Amtssitz in der küstennahen Hauptstadt Den Haag beriefen Ministerpräsident Grayling und seine Mitarbeiter einen Krisenstab ein, dessen Zusammensetzung dem von Mrs. Carpenter in London im großen und ganzen entsprach. Über zwei Punkte mußte man sich so schnell wie möglich Klarheit verschaffen.
Erstens: welches waren die Ausmaße jeder nur vorstellbaren menschlichen oder ökologischen Tragödie, die durch die Sprengung eines Tankers wie der Freya bewirkt werden konnte? Zweitens: welche Möglichkeiten standen der niederländischen Regierung in so einem Fall offen?
Dirk van Gelder, der Grayling das Tonband mit der Neunuhrnachricht der Freya gebracht hatte, fuhr auf Anweisung des Ministerpräsidenten nach Hoek van Holland zurück, um sich in der Leitstelle für den Fall bereitzuhalten, daß die Terroristen sich vor 12 Uhr meldeten.
Der Hafendirektor nahm dort um 10 Uhr 30 Harry Wennerströms Anruf entgegen. Der alte Großreeder, der in seiner Dachterrassensuite im Rotterdamer Hilton -Hotel erst spät gefrühstückt hatte, wußte noch nichts von den Vorgängen an Bord seines Schiffs. Niemand hatte daran gedacht, ihn zu benachrichtigen.
Wennerström rief an, um sich nach der augenblicklichen Position der Freya zu erkundigen. Er ging davon aus, daß sie sich bereits im Äußeren Kanal des Euroports befand, die Boje Eins passiert hatte und nun mit kleiner Fahrt und Kurs 82,5 Grad den Inneren Kanal ansteuerte. Der Reeder wollte gegen Mittag zusammen mit seinen Ehrengästen von Rotterdam abfahren, um mit ihnen beim Einlaufen der Freya zugegen zu sein.
Van Gelder entschuldigte sich für den unterbliebenen Anruf und erklärte Wennerström vorsichtig, was sich
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