Des Teufels Alternative
man mit hohen Summen dazu zu überreden, vor der Kamera für die Rettung ihrer Männer zu beten.
Ein ehemaliger Söldnerführer erbot sich, für eine Million Dollar die Freya allein zu entern; vier Erzbischöfe und 17 Abgeordnete verschiedener Parteien stellten sich aus unterschiedlichen Gründen zur Verfügung, Kapitän Larsen und seine Besatzung als Geiseln abzulösen.
»Einzeln oder in ganzen Partien?« knurrte der Bundeskanzler, als er davon hörte. »Ich wollte, statt der neunundzwanzig ehrlichen Seeleute wäre William Matthews an Bord. Dann könnte ich bis Weihnachten durchhalten!«
Im Laufe des Vormittags begann die scheinbare Indiskretion des Regierungssprechers gegenüber den beiden Journalisten ihre Wirkung zu zeigen. Die Äußerungen wurden von Nachrichtenagenturen des In- und Auslands aufgegriffen und weitergegeben. Auf diese Weise sickerte allmählich durch, daß die Bundesregierung ihre ursprüngliche Entscheidung, die beiden Häftlinge wie gefordert nach Israel auszufliegen, nur unter massivem Druck von seiten der USA rückgängig gemacht habe.
Bonn weigerte sich, diese Meldung zu bestätigen, dementierte sie aber auch nicht. Die unverbindlichen Antworten des Regierungssprechers sagten den Journalisten jedoch bereits genug.
Als es in Washington hell wurde – fünf Stunden später als in Europa –, verlagerte sich der Angriffsschwerpunkt auf das Weiße Haus.
Um 6 Uhr morgens forderte die Pressemannschaft des Weißen Hauses, der Präsident müsse sich ihren Fragen stellen. Aber die Journalisten sollten sich mit einem nervösen, ausweichend antwortenden Pressesprecher begnügen – und taten es nicht. Der Pressesprecher wußte selbst nicht, was er den Journalisten erzählen sollte; aus dem Ovalen Zimmer kam nach wiederholten Anfragen lediglich die Sprachregelung, die Sache sei ein europäisches Problem, das von den Europäern nach eigenem Ermessen gelöst werden müsse. Daraufhin geriet der deutsche Bundeskanzler wieder ins Kreuzfeuer der Kritik.
»Wie lange soll das denn noch so weitergehen?« brüllte, sichtlich mitgenommen, William Matthews seine Berater an, als er um 6 Uhr 15 seinen Teller mit Rührei von sich schob, ohne einen Bissen gegessen zu haben.
Die gleiche Frage wurde an diesem unruhigen Samstagmorgen in Dutzenden von Büros in Amerika und Europa gestellt, ohne daß jemand eine Antwort wußte.
Von seiner Ranch in Texas aus telefonierte der Eigentümer der einen Million Tonnen Mubarraq, die in trügerischer Ruhe im Rumpf der Freya lagerten, mit Washington.
»Mir ist es verdammt egal, wie früh es ist!« fuhr er die Sekretärin im Büro des Wahlkampfmanagers der Präsidentenpartei an. »Holen Sie ihn gefälligst ans Telefon, und sagen Sie ihm, daß Clint Blake am Apparat ist, verstanden?«
Als der Wahlkampfmanager der Partei des Präsidenten sich endlich meldete, war er von düsteren Vorahnungen geplagt. Als er den Hörer auflegte, war er geradezu trübsinnig. Eine Wahlkampfspende von einer Million Dollar war ein handfestes Argument, und Blakes Drohung, das Geld zurückzuziehen und der Opposition zukommen zu lassen, war kein Scherz.
Den Texaner schien es wenig zu kümmern, daß Schiff und Ladung bei Lloyds versichert waren. Er brauchte an diesem Morgen jemanden, an dem er seine Wut auslassen konnte.
In Rotterdam telefonierte Harry Wennerström den halben Vormittag über mit Stockholm. Er rief alle seine Freunde und Bekannten in Reedereien, Banken und Ministerien an, um gemeinsam mit ihnen den schwedischen Ministerpräsidenten unter Druck zu setzen. Die Mühe lohnte sich: Der Druck wurde an Bonn weitergeleitet.
In London suchte der Vorstandsvorsitzende von Lloyds, Sir Murray Kelso, den beamteten Staatssekretär im Umweltministerium in dessen Büro in Whitehall auf. Normalerweise pflegen die hohen englischen Beamten samstags nicht an ihren Schreibtischen zu sitzen, aber dies war kein normaler Samstag. Sir Rupert Mossbank war am frühen Morgen hastig von seinem Landhaus in die Stadt zurückgefahren, nachdem bekannt geworden war, daß Mischkin und Lasareff nun doch nicht entlassen werden sollten. Er bot seinem Besucher einen Sessel an.
»Verflixte Geschichte«, sagte Sir Murray.
»Einfach scheußlich«, stimmte Sir Rupert zu.
Die beiden Ritter tranken schlückchenweise ihren Tee und knabberten Butterkekse.
»Das Dumme an der Sache ist«, fuhr Sir Murray schließlich fort, »daß es wirklich um ziemlich hohe Summen geht. Um fast eine Milliarde Dollar. Selbst wenn nicht
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