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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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der Uspenskojer Brücke. Auch Adam Munro war mit hinausgefahren.
    Er bemühte sich, so sorglos wie die anderen zu wirken, aber das war schwer. Allzuoft sah er auf seine Uhr, und schließlich zog er sich an.
    »Oh, Adam, Sie wollen doch nicht schon zurückfahren? Der Nachmittag ist noch lang!« rief ihm eine der Sekretärinnen zu. Er rang sich ein bedauerndes Lächeln ab.
    »Die Pflicht ruft«, antwortete er, »die Industrie- und Handelskammer Manchester steht uns ins Haus!«
    Munro ging zwischen den Bäumen hindurch zu seinem Wagen, verstaute sein Badezeug, sah sich unauffällig um und sperrte sein Auto ab. Hier liefen so viele Männer in Sandalen, leichten Hosen und offenen Hemden herum, daß einer mehr oder weniger nicht auffiel; und zum Glück schienen KGB-Agenten niemals ihre Jacken abzulegen. In seiner Nähe sah niemand auch nur im entferntesten so aus, als gehöre er zur Opposition. Munro ging in nördlicher Richtung durch den Wald.
    Walentina erwartete ihn im Schatten unter den Bäumen. Er freute sich, sie wiederzusehen, aber sein Magen verkrampfte sich vor Aufregung. Sie war zu unerfahren, um zu merken, ob sie beobachtet wurde, und vielleicht war man ihr gefolgt. Seine diplomatische Immunität würde ihn vor Schlimmerem als einer Ausweisung bewahren, aber die Sache würde Staub aufwirbeln. Selbst das war Munro egal; er fürchtete das, was man Walentina antun würde, falls sie irgendwann geschnappt werden sollte. Was immer ihre Beweggründe waren – was sie tat, war Hochverrat. Er schloß sie in die Arme und küßte sie. Zitternd erwiderte sie den Kuß.
    »Hast du Angst?« fragte Munro.
    »Ein bißchen«, antwortete sie nickend. »Hast du dir das Tonband angehört?«
    »Ja, bevor ich es weitergegeben habe. Das hätte ich wahrscheinlich nicht tun sollen, aber ich hab’s trotzdem getan.«
    »Dann weißt du, was uns bevorsteht! Als ich ein sehr kleines Mädchen war, in den Jahren nach dem Krieg, habe ich den Hunger in diesem Land miterlebt. Es war schlimm, aber die Deutschen waren schuld daran gewesen. Wir haben es durchgestanden. Unsere Führer haben uns geholfen; sie haben sich bemüht, unsere Lage zu bessern.«
    »Vielleicht werden sie auch diesmal damit fertig«, meinte Munro ohne große Überzeugungskraft. Walentina schüttelte heftig den Kopf.
    »Sie versuchen es nicht mal!« brach es aus ihr hervor. »Ich sitze da, höre ihre Stimmen und schreibe die Wortprotokolle. Sie streiten sich nur und versuchen, ihre eigene Haut zu retten.«
    »Und dein Onkel, Marschall Kerenski?« fragte er ruhig.
    »Der ist ebenso schlimm wie alle anderen. Onkel Nikolai ist damals zu meiner Hochzeit gekommen. Ich habe ihn nett und freundlich gefunden. Natürlich war er das, denn da hatte es sich um sein Privatleben gehandelt. Jetzt höre ich zu, wie er in seinem Amt auftritt; da ist er wie alle anderen – brutal und zynisch. Jeder versucht nur, den anderen auszustechen und noch mehr Macht an sich zu reißen. Das Volk soll der Teufel holen! Ich müßte mit den Wölfen heulen, aber ich kann es nicht. Und ich will es nicht!«
    Munro sah über die Lichtung, hatte statt der Kiefern Olivenbäume vor sich und hörte einen Jungen in Uniform schreien: »Ich gehöre nur mir!« Seltsam, überlegte er, daß die mächtigsten Systeme manchmal mit ihren Anforderungen zu weit gingen und dadurch die Macht über ihre eigenen Diener verloren. Nicht sehr oft, aber gelegentlich.
    »Ich könnte dich hier rausholen, Walentina«, sagte er. »Ich müßte aus dem diplomatischen Dienst ausscheiden, aber es wäre nicht der erste Fall dieser Art. Sascha ist jung genug, um anderswo aufwachsen zu können.«
    »Nein, Adam, das klingt verlockend, aber ich kann nicht mit. Wie diese Sache auch ausgeht – ich gehöre in dieses Land, ich muß bleiben. Vielleicht eines Tages … Ich weiß es nicht.«
    Wortlos nahm er ihre Hand, und eine Zeitlang saßen sie so nebeneinander. Walentina brach schließlich das Schweigen.
    »Haben eure … Geheimdienstleute das Tonband nach London geschickt?«
    »Ich nehme es an. Ich habe es dem Mann in unserer Botschaft gegeben, der meiner Ansicht nach vom Geheimdienst ist. Er hat mich gefragt, ob noch weitere Bänder zu erwarten seien.«
    Walentina nickte zu ihrer Umhängetasche hinüber.
    »Diesmal ist’s nur eine Abschrift. Ich kann keine Tonbänder mehr beschaffen. Sobald sie abgeschrieben sind, kommen sie in einen Safe, zu dem ich keinen Schlüssel habe. Aber ich habe das Wortprotokoll der Politbürositzung mitgebracht, die in

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