Des Teufels Kardinal
fiel, spürte er kaum. Das spielte keine Rolle mehr. Sein letztes Gebet war längst gesprochen.
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Salvatore hatte Pater Daniels Krankenzimmer beim ersten Ton der Bootssirene verlassen und war durch den Zentralkorridor zur Anlegestelle gelaufen. Als er dort nur den dunklen Kanal sah und nichts mehr hörte, kam er eilig zurück.
»Wir müssen sofort weg!« sagte er auf italienisch. Außer Eros Barbu verstand nur Edward Mooi sich darauf, ein Motorboot durch die Kanäle zu steuern, und das Boot war nicht gekommen. Das Sirenengeheul war ein Warnsignal gewesen.
Hätte Mooi sie vor der Polizei warnen wollen, wäre die längst hiergewesen: Roscani, die halbe Gruppo Cardinale, bewaffnete Carabinieri als Verstärkung und eine Reportermeute dicht hinter ihnen.
Aber seit die Bootssirene verstummt war, herrschte Totenstille. Also hatte Mooi sie vor jemand anderem warnen wollen.
»Salvatore hat recht«, sagte Harry zu Elena. »Wir müssen weg von hier. Sofort!«
»Aber wie? Wir können Ihren Bruder nicht mit dem Aufzug nach oben transportieren. Selbst wenn wir es schaffen würden, ihn dort hinzubringen, wäre der Aufzug zu klein.«
»Fragen Sie Salvatore, ob es hier noch ein Boot gibt.«
»Das brauche ich ihn nicht zu fragen. Es gibt keines. Luca und die anderen sind mit dem einzigen weggefahren.«
»Fragen Sie ihn trotzdem!« drängte Harry. »Ein Floß. Ein Prahm.
Irgendwas, mit dem wir Danny auf dem Wasser abtransportieren können.«
Elena sah zu Salvatore hinüber und wiederholte Harrys Frage auf italienisch.
»Forse«, antwortete Salvatore. »Forse.«
Vielleicht.
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Das Fahrzeug war kein richtiges Boot, sondern eine flache Schute aus Aluminiumblech, etwas über dreieinhalb Meter lang und eineinhalb breit, die von dem Motorboot geschleppt werden konnte, um Vorräte zu bringen oder Müll wegzuschaffen. Salvatore hatte sie gut hundert Meter entfernt in der Nähe einer tiefer in der Grotte liegenden kleineren Anlegestelle gesehen. Dort lag die Schute aus dem Kanal gezogen neben der massiven Tür, die in Barbus legendären Weinkeller führte. Harry und Salvatore schoben sie ans Wasser, setzten sie ein und vertäuten sie an der Anlegestelle.
Dann stieg Harry ins Boot, um es zu testen.
Es schwamm, war nicht leck und sank unter seinem Gewicht kaum tiefer. Harry bückte sich, richtete die Dollen aus und legte die Riemen ein. »Jetzt kann er an Bord.«
Salvatore schob die fahrbare Krankentrage zur Anlegestelle und hob sie gemeinsam mit Harry ins Heck der Schute. Als nächstes reichte er Elenas Bereitschaftstasche herein. Harry half Elena einsteigen und sah erwartungsvoll zu Salvatore hinüber, aber der Italiener und seine Frau traten vom Kanal zurück.
Das Boot biete nicht Platz genug für fünf Menschen, übersetzte Elena. An den Wänden seien hoch über der Wasserlinie Markierungen angebracht, um die kürzeste Route aus dem Tunnelsystem zu kennzeichnen. Solange sie diesen Markierungen folgten, konnte ihnen nichts passieren.
»Was wird aus euch?« Harry schaute Salvatore besorgt an.
Marta und Salvatore wollten mit dem Lastenaufzug hinauffahren.
Elena übersetzte wieder. Die beiden würden sie mit dem Lastwagen aus einer kleinen Bucht südlich von hier abholen. Salvatore erklärte Elena genau, wie die Bucht zu finden war. Zuletzt sah er nochmals zu Harry hinüber.
»Arrivederci«, sagte er fast entschuldigend, als ließen sie die drei im Stich. Danach ergriff er hastig Martas Hand, und die beiden verschwanden in Richtung Zentralkorridor.
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Wie Salvatore gesagt hatte, waren die Markierungen hoch über der Wasserlinie an den Tunnelwänden angebracht. Elena stand im Bug und ließ den Lichtstrahl einer Taschenlampe über sie hinweggleiten, während Harry das Boot langsam den Kanal entlang ruderte.
Harry saß mit dem Rücken zu Elena in der Bootsmitte und konzentrierte sich auf die Riemen, die er möglichst lautlos einzusetzen versuchte.
»Hören Sie mal.« Elena schaltete die Taschenlampe aus.
Harry ließ das Boot mit aus dem Wasser gehobenen Riemen wei-tertreiben. Aber er hörte nur den leichten Wellenschlag an den Felswänden, an denen ihr Boot vorbeiglitt.
»Was haben Sie gehört?« fragte er flüsternd.
»Ich… Da!«
Diesmal hörte er das Geräusch auch. Es war ein fernes Brummen, das von den Tunnelwänden widerhallte. Aber es verstummte sofort wieder.
»Was war das?«
»Außenbordmotoren. Sie sind ein paar Sekunden gelaufen und wieder abgestellt worden.«
»Wer?«
»Die Leute,
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