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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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eigentlich nicht hier, um den Chinesen sein Beileid auszudrücken, sondern um festzustellen, wer sonst zu diesem Zweck hergekommen war. Als er jetzt mit dem Berater für politische Angelegenheiten aus der Französischen 311
    Botschaft plauderte, entstand am Saaleingang eine Bewegung, nach der beide Männer sich umdrehten.
    Was Eaton dort sah, kam nicht unerwartet: Das Erscheinen des vatikanischen Sekretärs des Auswärtigen, Kardinal Umberto Palestrina, der wie so häufig einen schlichten schwarzen Anzug mit Priesterkragen trug. Begleitet wurde er von drei weiteren einflußreichen Würdenträgern aus dem Vatikan in ihrer Amtstracht, Kardinal Joseph Matadi, Monsignore Fabio Capizzi und Kardinal Nicola Marsciano.
    Der bisherige Geräuschpegel im Saal sank merklich ab, und die Diplomaten traten beiseite, als Palestrina auf den chinesischen Botschafter zuging. Er begrüßte ihn mit einer leichten Verbeugung und ergriff vertraulich seine Hand, als seien sie die ältesten und besten Freunde. Daß praktisch keine Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan existierten, machte keinen großen Unterschied. Man befand sich in Rom, und Rom herrschte über fast eine Milliarde Ka-tholiken in aller Welt. Diese Milliarde repräsentierten Palestrina und die anderen im Auftrag des Heiligen Vaters. Jetzt waren sie hier, um dem chinesischen Volk ihr Beileid auszusprechen.
    Eaton entschuldigte sich bei dem französischen Diplomaten, durchquerte langsam den Saal und behielt Palestrina und die anderen Kirchenfürsten im Auge, während sie mit den Chinesen sprachen.
    Sein Interesse wurde noch stärker, als sie zusammen den Saal verlie-
    ßen.
    Dies war die zweite öffentliche Begegnung zwischen vatikanischen Würdenträgern und hohen chinesischen Diplomaten seit der Ermordung Kardinal Parmas. Eaton wünschte sich mehr denn je, Pater Daniel Addison wäre hier, um ihm zu erklären, was das alles bedeutete.

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    Marsciano, der im stillen Gott anflehte, ihm einen Weg zu zeigen, wie sich dieser Schrecken aufhalten ließ, betrat den kleinen Salon und nahm mit den anderen Platz, mit Palestrina, Kardinal Matadi, Monsignore Capizzi, Botschafter Jiang Youmei, Zhou Yi und Dai Rui.
    Palestrina thronte ihm gegenüber in einem Brokatsessel und sprach Mandarin mit den Chinesen. Seine ganze Erscheinung, von der Stellung seiner Füße auf dem kostbaren Teppich bis hin zu seinem Blick und seinen ausdrucksvollen Gesten, drückte tiefempfundenes Beileid und innige Sorge wegen der tragischen Ereignisse auf der anderen Seite der Welt aus. Er kleidete seine Gefühle in persönliche Worte, mit denen er sagen zu wollen schien, wenn ihm das irgendwie möglich gewesen wäre, hätte er sich selbst nach Hefei begeben, um sich der Kranken und Sterbenden anzunehmen.
    Diese Haltung und Großzügigkeit akzeptierten die Chinesen höflich und anerkennend. Aber Marsciano, und Palestrina natürlich erst recht, wußten, daß das nur Lippenbekenntnisse waren. Selbst wenn die Gedanken und Sorgen ihrer Gesprächspartner den Einwohnern Hefeis galten, waren sie doch in erster Linie Politiker, deren größte Sorge ihre Regierung und deren Überleben war. Peking und alles, was es jetzt tat, wurde von der ganzen Welt genau beobachtet.
    Aber wie hätten sie vermuten oder auch nur ahnen können, daß der eigentliche Verursacher der Katastrophe weder die Natur noch eine veraltete Wasseraufbereitungsanlage, sondern dieser weißhaarige Riese war, der hier vor ihnen saß und ihnen in ihrer eigenen Sprache Trost spendete? Oder daß zwei der drei hohen kirchlichen Würdenträger, von denen er begleitet wurde, in den letzten Stunden zu über-zeugten Anhängern dieses Verbrechers geworden waren?
    Falls Marsciano insgeheim noch gehofft hatte, Monsignore Capizzi oder Kardinal Matadi würden durch diesen Schock wieder zur Vernunft kommen und Palestrina die Gefolgschaft versagen, war diese Hoffnung durch ein Schreiben zerstört worden, das beide Männer Palestrina heute morgen übergeben hatten. In diesem Schreiben, das Marsciano sich zu unterzeichnen geweigert hatte, machten sie sich 313
    die Argumentation des Sekretärs des Auswärtigen zu eigen und ver-sicherten ihn ihrer rückhaltlosen Unterstützung. Palestrinas Argument lautete, Rom habe seit vielen Jahren eine Annäherung an Peking versucht, sei von der dortigen Zentralregierung stets abgewiesen worden und werde weiterhin abgewiesen werden, solange diese Kräfte an der Macht seien.
    Für Palestrina bedeutete diese Haltung, daß es in

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