Des Teufels Kardinal
-türken berichtet hatte. Auch sie hatte den Bericht über Willis erst vorhin gesehen und versucht, mehr in Erfahrung zu bringen, bevor sie Harry zurückrief.
»Hängt das mit mir, mit dem ganzen Zeug hier in Italien zusammen?« Harry war zornig und erbittert und hatte Mühe, seine Tränen zurückzuhalten.
»Das weiß noch niemand. Aber…«
»Aber was, verdammt noch mal?«
»Soviel ich gehört habe, sieht die Sache nach einem Auftragsmord aus.«
»Mein Gott, warum?« flüsterte Harry. »Er hat doch nichts gewußt.«
Dann riß er sich zusammen, verdrängte die Emotionen, deren dunkle Wirbel ihn zu verschlingen drohten, und fragte Adrianna nach dem Stand der Fahndung nach seinem Bruder. Sie erklärte ihm, die Polizei habe noch immer keine heiße Spur. Deshalb habe sie bisher auch nicht angerufen.
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Harrys Welt fiel um ihn herum in Trümmer. Er hätte Barbara Willis, Byrons Witwe, anrufen wollen, um mit ihr zu reden, um ihr sein Beileid auszusprechen, um zu versuchen, sie irgendwie zu trösten und an ihrem Schmerz teilzuhaben. Er hätte Bill Rosenfeld und Penn Barry, Willis’ Seniorpartner, anrufen wollen, um zu erfahren, was wirklich passiert war. Aber das konnte er nicht. Er durfte sich weder telefonisch noch per Fax, nicht einmal per E-Mail melden, weil das seinen Aufenthaltsort verraten konnte. Aber er durfte auch nicht weiter hier herumsitzen. Falls Danny noch lebte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wie Byron Willis liquidiert wurde.
Harry mußte wieder an Kardinal Marsciano und dessen Auftritt in dem Bestattungsunternehmen denken, als der Kardinal ihm geraten hatte, die verkohlte Leiche beizusetzen, als sei sie die seines Bruders, und ihn eindringlich vor weiteren Nachforschungen gewarnt hatte.
Marsciano wußte offenbar weit mehr, als er zugegeben hatte. Wenn irgend jemand wußte, wo Danny jetzt steckte, war es dieser Mann.
»Adrianna«, sagte er nachdrücklich, »ich brauche Kardinal Marscianos Privatnummer. Nicht die offizielle, sondern die für Privatge-spräche, die er hoffentlich immer selbst entgegennimmt.«
»Ich weiß nicht, ob ich die rauskriegen kann.«
»Versuch es!«
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Sonntag, 12. Juli
Die Via Carissimi war eine Straße mit luxuriösen Apartmentgebäuden und Stadthäusern zwischen den weitläufigen Gärten der Villa Borghese am einen Ende und der eleganten, baumbestandenen Via Pinciana am anderen.
Harry beobachtete die mit Efeu bewachsene Nummer sechsundvierzig seit halb zehn Uhr fast durchgehend. Zweimal hatte er Kardinal Marscianos Privatnummer gewählt. Zweimal hatte sich ein Anrufbeantworter gemeldet. Marsciano war nicht zu Hause oder wollte unerwünschte Anrufe herausfiltern. Beides kam Harry ungelegen. Er durfte keine Nachricht hinterlassen oder Marsciano Gelegenheit geben, ihn hinzuhalten, während jemand zu ermitteln versuchte, woher der Anruf kam. Am besten übte er sich in Geduld, zumindest vorläufig. Irgendwann würde der Kardinal hoffentlich selbst abheben.
Mittags rief Harry wieder an, wieder mit dem gleichen Ergebnis.
Danach machte er frustriert einen Spaziergang durch die Gärten der Villa Borghese. Um dreizehn Uhr ließ er sich auf einer Parkbank nieder, von der aus er die Residenz des Kardinals deutlich sehen konnte.
Um vierzehn Uhr zehn hielt endlich ein dunkelgrauer Mercedes vor dem Eingang. Der Fahrer stieg aus und hielt die hintere Tür auf. Im nächsten Augenblick tauchte Marsciano auf, gefolgt von Pater Bardoni. Die beiden Männer verschwanden in dem Gebäude. Der Chauffeur setzte sich sofort wieder ans Steuer und fuhr davon.
Nach einem Blick auf seine Uhr zog Harry das Mobiltelefon aus der Tasche, wartete noch, bis ein junges Paar vorbeigegangen war, drückte die Wiederwahltaste und wartete.
»Pronto.« Das war unverkennbar Kardinal Marscianos kräftige Stimme.
»Hier ist Pater Roe, Eminenz. Ich bin von der Georgetown University in…«
»Woher haben Sie diese Nummer?«
»Ich möchte mit Ihnen über ein medizinisches Problem reden.«
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»Welches?«
»Eine dritte Brustwarze.«
Danach entstand eine Pause, bis sich eine andere Stimme meldete.
»Hier ist Pater Bardoni. Ich bin ein Mitarbeiter des Kardinals. Was kann ich für Sie tun?«
»Monsignore Grayson von der Georgetown School of Law ist so freundlich gewesen, mir die Nummer des Kardinals mitzugeben. Er hat mir versichert, falls ich jemals Hilfe brauchte, werde Seine Eminenz sie mir bereitwilligst gewähren.«
Harry blieb auf der Parkbank sitzen, bis er Pater Bardoni aus
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