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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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aus Holz, welches man blank und glänzend polieren konnte, würde man es von all dem Katzenund Rattendreck sowie all den Essensresten und sonstigem Unrat befreien. Außerdem fanden sich noch zwei enorme und ebenfalls in bunten Farben bemalte Truhen in der Stube sowie ein massiver Schrank, in dem sich einst Geschirr befunden haben musste, welches nun entweder im gebrauchten, ungewa-schenen Zustand oder aber in Form von Scherben überall im Raum verteilt lag.
    Anna hatte bei diesem Anblick nicht wenig Lust, sich einen Besen und mehrere Eimer Wasser zu holen und diese prächtige Stube wieder in den Zustand zu versetzen, welcher ihr gebührte.
    Die Frau, welche vor dem Kamin saß, war nicht weniger verwahrlost als ihre Herberge. Sie trug keine Haube, und ihr graues, ursprünglich zu einem Knoten gebundenes Haar hing in dünnen, fettigen Strähnen lang über ihre Schultern. Das Gesicht bestand nur aus Falten, ja es war so runzlig, dass sich ein trockener Hautlappen an den nächsten reihte und dabei Augen, Nase und Mund fast verdeckte. Der ganze Körper schien vollkommen entwässert zu sein, die dünnen Armgelenke und Hände waren nichts weiter als mit grauem Leder umspannte Knochen. Es war ein Wunder, dass diese Frau, die einer ausgetrockneten Leiche ähnlicher als einem lebenden Menschen war, überhaupt noch atmen, sich bewegen und reden konnte.
    Wahrscheinlich, so dachte Anna, die sich noch immer nicht an den schrecklichen Gestank in diesem von Tausenden von Fliegen bevölkerten Raum gewöhnen konnte, war dieses alte Weib das Einzige in der stube, was keinen üblen Geruch ver-strömte. Denn wahrscheinlich roch sie, ähnlich eines in der Sommerhitze getrockneten Frosches, nach nichts.
    Anna war aus ihren Beobachtungen gerissen worden, als Hans Mergel die Stille gebrochen und sich auf die Bank gesetzt hatte. Denn im selben Moment, in dem er Platz nahm, hörte auch die Alte auf zu beten und schaute aus ihren winzigen Sehschlitzen die Gäste an, welche ihr sohn, der erwartungsfroh in der Türe stand und seinen Blick nicht von Anna abwenden konnte, ins Haus gelassen hatte.
    Der Blick der Leni Gramshuber blieb an Anna haften, doch ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung. Schließlich fragte sie mit einer für ihren schmächtigen Körper ungewöhnlich kräftigen Stimme: »Was wollt ihr hier?«
    »Mein Name ist Anna Pippel, dort drüben, das ist Hans Mergel, und der Knabe heißt Balthasar. Dein Neffe hat uns zu dir geschickt, Bäuerin, wir sind ihm in Westfalen begegnet. Er gab mir diesen Brief mit und sagte, wir könnten möglicherweise für dich arbeiten.«
    »Mein Neffe? Etwa der Andreas?«
    Anna zögerte. Seinen Vornamen kannte sie immer noch nicht, dennoch antwortete sie schlich und einfach: »Ja, genau der.«
    »Der Andreas also. Hat sich schon lange nicht mehr blicken lassen. Und dann schickt er dich hierher, Madel.« Und sie musterte Anna wieder mit diesem seltsamen Blick, der zunächst vollkommen regungslos wirkte, beim näheren Betrachten jedoch nicht ganz ohne Rührung und Wärme auf der jungen Frau ruhte, die da plötzlich in der stube stand.
    »Gib her, den Brief.«
    Anna reichte der Frau das Schreiben, welches sie über all die Monate brav in ihrer Schürzentasche aufbewahrt hatte. Leni Gramshuber brach das Siegel und schaute sich das Blatt genau an.
    »Kann nicht lesen, aber es ist tatsächlich vom Andreas. Er hat schon als Kind immer solch einen Gamsbock gemalt.«
    »Er sagte, Ihr sollt mit dem Brief zum Pfarrer gehen.«
    »Einen Teufel werd ich tun«, sprach die Alte, faltete das Blatt zusammen und steckte es sich unter den schmutzigen Rock.
    »So, arbeiten sollt ihr für mich.«
    »Ja, das sagte er.«
    »Na, wenn er das sagt, der Andreas. Hat sich schon seit Jahren nicht mehr hier blicken lassen, und dann schickt er mir solch ein Lumpenpack. Bartel, hörst, arbeiten sollen die für uns.«
    Bartel grinste nur. »Gut. Dich, Maderl, kann ich gebrauchen, den Buben vielleicht auch. Aber den alten Krüppel da, den werd ich nicht durchfüttern.«
    Genau das hatte Anna befürchtet.
    »Dann werden auch wir nicht bleiben können«, antwortete sie mit fester stimme.
    »Dann gehts. Habe euch nicht hergerufen. Bin ja kein Siechenhaus.«
    »Obwohl es hier ganz wie in einem solchen riecht«, brummte der beleidigte Mergel vor sich hin.
    Anna half ihm hoch, und zusammen mit dem Jungen schleppten sie den Einbeinigen zurück zur Haustür.
    »Wartet«, rief die Gramshuberin hinter ihnen her. »Könnt alle bleiben. Aber bezahlen kann

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