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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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in ihrem Haus. Denn sie würden den lieben langen Tag nun einmal nichts anderes machen. Die Alte bete stunde um stunde den Rosenkranz, um ihr längst verlorenes Seelenheil zu retten, und der Bub reiße derweil Fliegen und Spinnen die Beine aus. Mehr würden die eh nicht tun.
    »Klopft nur an. Ich will sehen, was dann passiert. Werden bestimmt nicht aufsperren, die beiden.« Mit diesen Worten ging die Frau zwei Schritte zurück und wies Anna mit einer auffordernden Handbewegung an, nun endlich zur Türe zu gehen. Mittlerweile hatten noch weitere Dorfbewohner die Ankunft der Fremden bemerkt, standen nun neugierig in ihren Türen oder auch auf offener Straße, sprachen laut miteinander oder schüttelten nur die Köpfe und warteten wie die Fischerin darauf, wie der Empfang der Ankömmlinge ausfallen würde.
    Anna musste minutenlang immer wieder gegen die Türe pochen, bis sich im Inneren des Hause endlich etwas regte. Unter einem entsetzlich lauten Quietschen wurde schließlich das bereits aus seinen Scharnieren fallende Portal geöffnet. Vor ihr stand, etwa in Höhe ihrer Brust, ein kleinwüchsiger Mann. Er hatte einen enormen Kopf, einen großen Rumpf, aber nur ganz kurze Gliedmaßen.
    Schon zuvor hatte Anna derartige Zwerge gesehen und sie immer lustig gefunden. Fröhlich winkten sie von den Schau-stellerwägen herunter, wenn diese durch die Dörfer fuhren. Und manchmal führten sie erstaunliche Kunststücke vor. Einer – daran konnte sie sich aus ihrer Kindheit erinnern – hatte mit sechs brennenden Fackeln gleichzeitig jongliert und dabei auch noch lustige Lieder gesungen.
    Doch dieser schien ganz und gar nicht lustig und fröhlich zu sein. Auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass er ein kleiner Giftzwerg war. Unter einem strammen schopf rotblonden Haares blickten zwei kleine blaue Augen Anna von oben bis unten an, während sich die dicken Lippen zu einem lüsternen Schmunzeln formten, welches eine Reihe äußerst guter und riesengroßer Zähne freilegte.
    Der Zwerg sagte nichts, sondern bedeutete Anna und ihren beiden Begleiter einzutreten. Nachdem auch Hans Mergel mit Hilfe Balthasars die Schwelle überschritten hatte, lief der kleine Wicht plötzlich in Windeseile nach draußen und verscheuchte mit wilden Handbewegungen und unter entsetzlichen, unverständlichen, offensichtlich bayerischen Beschimpfungen die Fischerin und ihren Sohn. Allen weiteren Starrenden zeigte er durch unanständige Handbewegungen an, was er von ihrer Neugierde hielt.
    Einen solchen Empfang hatte sich Anna, trotz immer weiter schrumpfender Erwartungen, nicht vorgestellt. Hier in diesem Rattenloch also sollte die Tante des wie ein Prinz daherkommenden, immer gestriegelten und sauber geputzten Reiters hausen?
    Sie betraten die dunkle Stube, welche groß und schön hätte sein können, jedoch wegen Unmengen an herumliegendem Gerümpel eng geworden war. Die zugenagelten oder vollkommen verdreckten Fenster machten sie dazu düster. In einer Ecke vor einem riesigen Ofen, der jetzt im Sommer natürlich nicht in Betrieb war, saß sie, die Gramshuberin. Und sie betete tatsächlich ihren Rosenkranz.
    Keiner der drei Ankömmlinge wusste, was er nun sagen oder tun sollte, und so verging eine geraume Zeit, in der sie einfach nur dastanden und schwiegen. Hans Mergel schließlich brach die unangenehme stille, welche nur durch das leise und monotone Murmeln des Ave Maria erfüllt war, weil er schlicht und ergreifend nicht mehr auf einem Bein stehen konnte.
    »Ich setze mich mal einfach«, sagte er und ließ sich von Balthasar zu der einzigen unratfreien Stelle auf der an der gesamten Stubenwand entlangführenden Holzbank bringen.
    Anna hatte in der Zwischenzeit ausgiebig Möglichkeit gefunden, den Raum und die Frau in Augenschein zu nehmen. An sich hatte sie noch nie in ihrem Leben eine solch prächtige Stube gesehen. Der Kamin war bunt gekachelt und vom Nebenraum aus beheizbar, was bedeutete, dass es hier in diesem Zimmer selbst im ärgsten Winter nicht nur herrlich warm, sondern auch rauchfrei sein musste. Die Holzbank, auf der Mergel saß, war voller schöner Schnitzereien, und auch an den Wänden waren kunstvolle Muster zu sehen. Allein der Schmutz, bestehend aus Fliegendreck und feuchtem Staub, hatte ihnen bereits übel zugesetzt. Außerdem stand in der Mitte des Raumes ein riesiger Eichentisch, ebenfalls kunstvoll beschnitzt und gesäumt von mit Leder bezogenen Stühlen, welche jedoch bereits stark mitgenommen aussahen.
    Der Fußboden bestand

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