Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
was die Heimsuchung von sich einquartierenden Soldatenschwärmen betraf. Es blieben jedoch Hunger, Kälte, Seuchen und einheimische Räuberbanden, die den Marodeuren der Heere an Skrupellosigkeit in nichts nachstanden.
Für Anna war es eine Entlastung, hoffte sie doch, dass damit auch die schreckliche Gefahr, die urplötzlich wieder aufgetaucht war, vorüber war. Sollte sich der Mörder tatsächlich im Wallensteinschen Heer aufhalten, dann war er nun fort.
Seit dem Gespräch auf dem Markt hatte sie von keinen weiteren Vorkommnissen dieser Art gehört, doch das war auch nicht weiter verwunderlich, fielen doch solche Taten unter den zahlreichen Schändlichkeiten, welche tagtäglich begangen wurden, nicht weiter auf. Und um ihr eigenes Leben hatte sie bisher auch nicht mehr fürchten müssen, da sie seit einiger Zeit immer eine geladene Feuerbüchse bei sich trug.
Von dem schmucken Ort, den Anna, Mergel und der Junge bei ihrer Ankunft vorgefunden hatten, war längst nicht mehr viel übrig geblieben. Die meisten Höfe waren im Laufe des letzten Jahres niedergebrannt. Andere, die vom Feuer unversehrt geblieben waren, konnten jedoch auch nicht weiter instand gehalten werden, denn die Menschen im Dorf, die Krankheit, Hungertod und Gewalt verschont hatten, waren mittlerweile so schwach und antriebslos, dass ihre Heime verfielen und sie teilweise unter eingestürzten Dächern und in zugigen Räumen ihr Dasein fristeten.
Die kleine Kirche lag längst in Schutt und Asche, sodass schon seit Monaten kein Gottesdienst mehr abgehalten wurde, zumal auch der Pfarrer sich heimlich des Nachts auf und davongemacht hatte. Der Kirchhof, ohnehin von den zahlreichen Toten des Dorfes überfüllt, lag völlig brach und wurde nur noch von den hungrigen Wölfen und den streunenden Hunden aufgesucht, die mittlerweile auch mitten am Tage in den gar nicht mehr so frischen Gräbern wühlten. Begraben wurden die Toten längst nicht mehr. Wer starb, der konnte von Glück sagen, wenn man für ihn einen kleinen Scheiterhaufen errichtete, meistens jedoch wurden die Leichen auf einem Handkarren in den Wald gefahren und dort einfach abgelegt.
Auch der Gramshuber-Hof sah mittlerweile verwahrloster aus als je zuvor. sämtliche Scheiben waren eingeschlagen und alle Fenster gegen die Kälte mit alten Brettern vernagelt. Der Dachstuhl war noch in der letzten Dezemberwoche niedergebrannt, nur dank eines plötzlich einsetzenden Eisregens hatte sich das Feuer nicht weiter in den Innenbereich des Hauses vorfressen können. Bewohnbar waren lediglich die unteren Räume, und selbst der schöne Hinterlader war nahezu unbrauchbar, da ein wütender söldner ihn, versteckte Kostbarkeiten hinter den Kacheln vermutend, mit einer Axt in stücke gehauen hatte.
Die drei Bewohner des Hauses waren inzwischen dazu übergegangen, die Stube auf herkömmliche Weise durch ein offenes Feuer zu beheizen, was dazu geführt hatte, dass alle mühevoll gekälkten Wände wieder schwarz vom Ruß waren. Außerdem hatten die Möbel unter zahlreichen Trinkgelagen und Prügeleien, welche in dem Hause stattgefunden hatten, sehr zu leiden gehabt. Es existierte lediglich noch die Bank, welche sich um die gesamte Wand zog, und ein einziger wackelnder Tisch, den Mergel bereits notdürftig geflickt hatte. Sämtliche Wertgegenstände und alles Geschirr waren fort, man aß das Wenige, was man noch hatte, aus den Holzschüsseln, die man bereits auf dem Weg ins Bayernland dabeigehabt hatte.
Im Februar kehrten dann nach und nach all die zurück, die man längst am Bodensee vermutet hatte. Zunächst nisteten sich wieder unzählige der von Anna besonders gefürchteten Krabaten ein, und schließlich zog sich auch noch am Ammersee die gesamte bayerische Armee zusammen, um sich gegen die Schweden zu rüsten.
Man ertrug alles mit stoischer Geduld und sehnte sich längst nicht mehr nach besseren Zeiten zurück, sondern lebte einfach in den Tag hinein, ohne etwas vom Morgen zu erwarten, außer vielleicht die rettende Erlösung durch den Tod.
Eines Tages – es war im April des Jahres 1633 – klopfte es an der Türe, die Balthasar erst unlängst vernagelt hatte, sodass man nur noch durch eine geheime Luke im stall in den Innenraum des Wohnhauses gelangen konnte. Anna, Mergel und Balthasar machten sich bereit, ihr Versteck im Keller aufzusuchen. Das war ihre herkömmliche Reaktion auf ungebetene Gäste.
Nur wenige Augenblicke später saßen sie in dem eisigen unterirdischen Raum, der ihnen in den letzten
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