Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
Monaten zu einer zweiten Wohnung geworden war. Es dauerte nicht lange, und man konnte schritte vernehmen. Die Schritte von vielleicht zwei, höchstens drei Menschen. Schließlich hörten sie ein Rufen, das aus der Stube kommen musste. Die Eindringlinge hatten also den Weg ins Haus gefunden, und das offenbar ohne Gewalteinwirkung, denn von splitterndem Holz war nichts zu vernehmen gewesen.
    »Tante Leni! Gramshuberin, wo bist du? Hast du dich versteckt? Komm heraus, ich bin es nur, der Andreas. Bin zurück. Will dich besuchen kommen.«
    Annas Herz begann wie wild zu schlagen. Er war es, er war zurück! Ausgerechnet jetzt. Sie hatte sich so gut erholt gehabt in den ersten drei Monaten in Bayern. War aufgeblüht, hatte zugenommen, ihre Haut war rosig gewesen und ihr Haar glänzend. Das war die Zeit gewesen, in der er hätte zurückkommen können. Nicht jetzt.
    Wie sah sie jetzt nur aus? Wie ein aschfahles Knochengerippe. Und dann auch noch dieses schreckliche Kleid, dieses schmutzige, zerschlissene Kleid. So hatte Anna sich diesen Moment nicht vorgestellt. sie konnte unmöglich ihr Versteck verlassen und ihm entgegengehen. Besser war es, zu warten und der Dinge zu harren, die da kommen sollten.
    Mergel nahm ihr die Entscheidung ab: »Das scheint der Reiter zu sein, der uns hierhergeschickt hat. Wir sollten uns zu erkennen geben, schließlich hat er es ja schon einmal gut mit uns gemeint.«
    Und schon öffnete der Alte die Luke und rief: »Fremder, hier sind wir. Helft einem alten Krüppel aus diesem modrigen Versteck. Wir sind es, die Ihr einst hierher nach Bayern zu Eurer Tante geschickt habt.«
    Es dauerte nicht lange, und über der Kuhle erschienen zwei wildlederne, offensichtlich nagelneue Stiefel. Anna sah hinauf und blickte von unten in das Gesicht von Andreas Moosberger. Er hatte sich nicht verändert. Wieder stand er da, sauber und adrett, mit blondem Bart und strahlend blauen Augen. Ja, er erinnerte sie an die Darstellungen des unlängst gefallenen Schwedenkönigs auf all den Flugschriften, die Mergel, auf welchem Wege auch immer, ständig aus Augsburg erhielt.
    Und tatsächlich lächelte Moosberger Anna an. Und auch sie wollte ihm gerade ein Lächeln schenken, als neben seinen Stiefeln plötzlich kleinere, spitzere, aber ebenfalls wildlederne Schühchen auftauchten. Anna blickte an diesen empor und schaute in das Gesicht einer hübschen blonden Frau mit ro-sigen Wangen und einem roten Mündchen. Und diese Frau sah aus dicht bewimperten grünen Augen direkt in Annas wei ßes, schmales Antlitz und lächelte ebenfalls. Sie lächelte sogar freundlich.
    »Was sind das für Leute, Andreas? Weshalb verstecken sie sich vor uns?«, fragte sie ihren Begleiter.
    »Das ist das Gesinde meiner Tante«, antwortete dieser und schenkte der Frau, die etwa in Annas Alter war, aber von an Schönheit und Jugend zehrenden Strapazen offenbar verschont geblieben war, ein keckes Augenzwinkern. Anna schaute weg und versuchte den bohrenden schmerz in ihrem Herzen zu ignorieren.
    »Wo ist meine Tante?«, fragte Moosberger, als er den alten Mergel aus dem Kellerloch zog.
    »Eure Tante, mein Herr, hat diesen Winter mit all seinen widrigen Heimsuchungen leider nicht überstanden. Ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass wir sie bereits vor vielen Wochen haben begraben müssen.«
    Moosberger blieb ungerührt. »Nun, dann ist sie also tot. Ihr aber lebt allesamt, und auch der Knabe ist noch bei euch. Hast du deine Eltern nicht finden können?«
    Balthasar, der inzwischen allein aus dem Loch gekrochen war, schüttelte lediglich den Kopf.
    Jetzt saß nur noch Anna unten und starrte stumm und verlegen nach oben. Sie wollte mit allen Mitteln vermeiden, dass er ihr aufhalf oder auch nur ein Wort an sie richtete. Mit einer hektischen Bewegung versuchte sie ihren schlanken Körper nach oben zu katapultieren, was ihr jedoch nicht gelang, sodass sie, mit einem dumpfen Knall schmerzhaft auf dem Steißbein landend, in der feuchten, kalten Brühe saß, die sich am Boden des Kellerversteckes angesammelt hatte.
    »Aber Anna Pippel, nicht so eilig, ich hätte dir doch aufgeholfen«, sprach Moosberger und reichte ihr die Hand. Anna nahm sie mit einem verlegenen Lächeln und ließ sich von ihm mit einem Ruck hochziehen. Dann wandte sie sich mit hochrotem Kopf ab und murmelte viel zu leise, dass sie schon einmal in die stube gehen werde.
    Es waren schmerzhafte zwei Wochen, die Anna nun durchleben musste. Noch nie zuvor, nicht einmal, als sie ihren Mann

Weitere Kostenlose Bücher