Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
General zu nächtigen geruht.
Ein Tyrann soll das sein, und das alles nur, weil ihn jeder Knochen schmerzt. Völlig verkrampft ist er wohl, hat die Gicht. Und das muss wohl mehr schmerzen als Wundbrand am ganzen Körper.«
»Und so einer befehligt die kaiserliche Armee?«, fragte Balthasar.
»Ja, so einer. Weil der Kaiser so einen Schlauen und Gerissenen nicht wieder findet. Außerdem braucht er ja auch im gegebenen Fall einen Sündenbock – will ja, falls was schiefgehen sollte, nicht die Schuld auf sich nehmen müssen. Und dann gilt es ja auch noch die mächtigen Fürsten in Schach zu halten. Glaub mir, mein Junge, die Katholischen unter sich, die hassen sich mehr, als sie ihre Feinde auf den Schlachtfeldern hassen.
Wenn man den Maximilian gefragt hätte, wessen Kopf er lieber auf einem silbertablett serviert bekommen würde, den des Schwedenkönigs oder den Wallensteins, na, da kannst du aber Gift drauf nehmen, dass er sich für den Wallensteiner entschieden hätte.«
Es war endlich einmal ein ruhiger Abend. Keine Überfälle und nur einige wenige Einquartierungen von vollkommen erschöpften kaiserlichen Landsknechten, die bereits seit Sonnenuntergang friedlich in den nicht ausgebrannten Kammern der ersten Etage schlummerten.
Diese Ruhe jedoch bedeutete nicht, dass von ihnen keine Schrecken zu erwarten gewesen wären. Aber es gab kaum noch etwas zu zerstören, und selbst zum Schänden waren die Frauen zu dünn geworden und die Soldaten viel zu schwach. Auch sie litten in diesem Winter, ganz so wie die Landbevölkerung, unter Hunger und Seuchen. Wie mit gelbem Leder überzogene Knochengerippe ritten oder schleppten sie sich durch die stra ßen, und man brauchte sich nur noch vor ihren Pistolen oder den Schwefelhölzern zu fürchten, mit denen sie hin und wieder willkürlich Häuser und ställe anzündeten. Kräftezehrende Gewalttaten waren kaum noch zu erwarten. Dafür war jedoch die Lust auf Alkohol größer denn je, und dies führte bei den vollkommen ausgemergelten Körpern nicht selten dazu, dass man die Einquartierten des Morgens tot aus ihren Betten ziehen musste.
Trotz ihrer körperlichen schwäche nahm Anna sich vor, am nächsten Tage nach Herrsching zu gehen. Sie hatte mittlerweile acht Wolldecken gestrickt, und diese wollte sie dort gegen Lebensmittel eintauschen. Wie schön wäre es doch, etwas Hafer und ein Säckchen getrocknete Erbsen zu ergattern. Vielleicht ließ sich ja sogar ein Huhn erstehen.
Zusammen mit Puck, dem treuen Hund, machte sie sich auf den Weg. Er sollte sie vor möglichen Angriffen beschützen, denn darin war er mehr als zuverlässig, verstand es doch der große, bullige Hund, selbst drei Männern auf einmal gehörig Angst einzujagen. Dieses Tier war ein Meister des Überlebens, nach wie vor stark und muskulös, weil er sich von den unzähligen Ratten ernährte, die sich, seit der Krieg Einzug an den Ammersee gehalten hatte, in den Dörfern rundum wohlzufühlen schienen und nicht müde wurden, sich zu paaren und zu vermehren.
Der Weg nach Herrsching verlief ohne Zwischenfälle. Dafür jedoch fand Anna auf dem Bauernmarkt nichts als gähnende Leere vor. Tauschhandel war die einzige Möglichkeit, um an Lebensmittel zu kommen, und auf die Idee, Wolldecken zu stricken, waren außer ihr offensichtlich noch Dutzende weiterer Frauen gekommen.
Immerhin gelang es ihr, ein Glas Honig zu erstehen, und sie war gerade dabei, dem Imker noch etwas von der Butter abzu-schwatzen, die dieser kurz zuvor selber eingetauscht hatte, als sie ein Gespräch zwischen zwei Frauen belauschte.
»Dem stammberger Schorsch haben sie beide Füße weggeschossen, nur weil er ihnen nichts von seinem Selbstgebrannten geben wollte.«
»Was stellt er sich auch so an. Muss doch langsam wissen, dass die nicht zimperlich sind.«
»Ist halt ein Geizhals. Wahrscheinlich wird er’s nicht überleben, soll schon im Fieberwahn liegen.«
»Hast du denn auch gehört, dass sie die Vroni, die Tochter vom Häusler-Wirt, dass sie die an den Haaren hinter ihren Rössern hergezogen haben? So lange, bis sie grün und blau war und sich sämtliche Knochen gebrochen hat.«
»Das ist noch gar nichts gegen das, was unser Dorfpfarrer Holzbichl mitansehen musste. Soll erst heute früh passiert sein, weiß ich von der Huberin. Dem seine Wirtschafterin, die kleine Martha, die soll morgens in der Küche gehangen haben. An einen Balken haben sie sie geknüpft, und als wäre das nicht genug, haben sie der auch noch zusätzlich den Hals
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