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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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fand das Schreiben in einem unleserlichen Zustand vor, die Tinte war zerlaufen. Welche Flüssigkeit auch immer dazu beigetragen hatte, Anna wollte es gar nicht wissen. Kurz und gut, der Brief war nicht mehr zu entziffern. Aber da sie ohnehin nicht lesen konnte und das Schriftstück niemals aus den Händen gegeben hätte, war es ihr letztendlich gleich.
    Dies war das einzige Erinnerungsstück an ihn, und was auch immer jetzt an diesem Schreiben klebte, Anna würde den Brief behalten. Und so steckte sie ihn wieder zurück in ihre Schürzentasche.

XXV

    Der Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf brachte nicht die erhoffte Ruhe. Die Schweden blieben, und hinzu kam erneut eine riesige kaiserliche Armee unter dem Regimentsführer Aldringen, welche sich wochenlang am Ammersee und in dessen Umgebung einnistete.
    Ihren Auftrag, die nun führerlosen Schweden aus Bayern zu vertreiben, schien diese Armee nicht besonders ernst zu nehmen. Lieber verbrachten ihre Tausende von Angehörigen den Winter hinter den Öfen der Bauern, fraßen und soffen weg, was an Wenigem noch aufzutreiben war, und betrugen sich auch sonst nicht gerade sittsam.
    Die Enttäuschung unter der bayerischen Landbevölkerung hielt sich in Grenzen, hatte man doch schon längst resigniert und keine großen Hoffnungen in einen erlösenden Schlag gegen die schwedische Invasion gehegt. Feind und Freund waren bereits seit Monaten nicht mehr zu unterscheiden, grundsätzlich galt, dass alle Soldaten nur Schlechtes mit sich brachten. Selbst die, die ursprünglich Bauern im selben Dorf gewesen waren, mit denen man früher gefeiert und gelacht hatte.
    Im sommer noch wäre man gegen diese Plage mit allem vorgegangen, was sich an Stech- und Hiebwerkzeug in ställen und Schuppen auftreiben ließ. Doch nun war die verbliebene Landbevölkerung durch seuchen und Hunger so geschwächt, dass sie diese erneute Einnistung zahlloser unwillkommener Gäste stillschweigend ertrug.
    Allein was den Antichristen Wallenstein betraf, so besa ßen die Bayern noch genügend Kraft, um gehörig über ihn zu schimpfen: Er sei an allem schuld, er war es, der seine Armee in ihr Land geschickt hatte, er war es, der seinen Soldaten befohlen hatte, alles aufzufressen, was sie hier finden würden, und er war es, der nicht wollte, dass sie ihren kaiserlichen Auftrag erfüllten und gegen die Schweden vorgingen. Nein, Wallenstein habe wieder einmal einen teuflischen Plan ausgeheckt und sich vorgenommen, das Land seines größten Rivalen in den eigenen Reihen, des Kurfürsten Maximilian, zu ruinieren; und das Einzige, was dazu nötig war, war schlichtes Nichtstun, und darin übe er sich nun mit Bravour. Solch einen kaiserlichen Oberbefehlshaber konnte man nicht gebrauchen. Lynchen sollte man ihn, wenn man ihn in die Finger bekäme, etwas anderes hatte dieser gichtkranke Tyrann nicht verdient.
    So die Meinung vieler bayerischer Untertanen.
    Auch Hans Mergel war sich sicher, dass der General absichtlich eine verzehrende Hinhaltetaktik verfolgte, und dies nicht nur, weil er dem Bayern Maximilian schaden, sondern auch, weil er sich bei den schweden ein Türchen offen halten wollte.
    »Der spielt mit zweierlei Karten. Und wenn ich ehrlich bin, ich würde es nicht anders machen. Schließlich kann er niemandem mehr vertrauen. Hat ja selbst gesehen, was passiert, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Dann schmeißen die den einfach raus. Anders würde es auch nicht sein, wenn er die Schweden versohlt und in ihre Eiswüste zurückschickt.
    Der ist schlau und gleichzeitig gekränkt. Kann ich verstehen, zumal er ohnehin so ein komischer Kauz sein soll. Habe ich dir eigentlich schon einmal erzählt, Anna, was man von dem alles berichtet?«
    »Nein.« Anna saß am Ofen, dort, wo früher Leni Gramshubers Platz gewesen war, und strickte eine Decke aus grober Wolle. Wolle war das Einzige, was man noch auftreiben konnte. In unverarbeiteter Form hatte diese für Plünderer keinen Wert.
    »Der soll ganz empfindlich sein, was sein Gehör betrifft. Kann nicht schlafen, wenn er auch nur einen Mucks hört, ein Rascheln oder auch nur einen leisen schritt. Dann wird der wohl fuchsteufelswild. Angeblich hat er schon eigenhändig Leute erschlagen, die ihn versehentlich geweckt haben.
    Wenn er irgendwo Quartier nimmt, dann lässt er in den Stra ßen Stroh legen und allen Hunden, Katzen und Hähnen die Hälse schon im Vorhinein umdrehen. Ja, seine Diener haben sogar die Anweisung, all die zu vertrimmen, die zu laut reden, wenn der

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