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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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wusste, warum all das geschah.
    Das Ziel, welches Anna sich nun in den Kopf setzte, war nur ein einziges: sie musste alldem ein Ende bereiten. Es musste aufhören, und es war ihre Aufgabe, dies in die Hand zu nehmen. So schrecklich der Anlass auch war, er beseelte Anna vollkommen. Ja, er gab ihr ihren Lebens-, ihren Überlebenswillen zurück und trieb sie dazu, ihre eingeschlafenen Kräfte hervorzuholen und sich inmitten dieser hoffnungslosen Zeiten an eine Aufgabe zu machen. Eine Aufgabe, von der sie jetzt fest annahm, dass das schicksal sie, die einfache Anna Pippel, dazu auserkoren hatte, dafür eine Lösung zu finden.
    Vielleicht war es das letzte Aufbäumen einer wahnsinnig Gewordenen, so schien es ihr mitunter, wenn sie des Nachts wieder grübelnd dalag. Doch sie musste nun etwas tun, musste sich durch diese Hölle quälen und wenigstens dieses Rätsel lösen. Keine Liebe, kein schönes Haus, keine gesunden Kindelein und kein glückliches Leben. Nicht die Spur romantischer Gefühle beseelte sie nun, sondern ein ganz anderes Lebensziel.
    Anna wollte den Teufel besiegen. Den Teufel, oder wer auch immer sich hinter diesem Mordgesellen verbarg.
    Niemand darf lachen, lachen ist nicht gut. Das sollte man nicht. Sieht nicht schön aus, wenn man lacht, tut weh, wenn andere lachen. Möchte man gar nicht sehen und gar nicht hören, wenn andere lachen. Nein, das sollen sie nicht.
    Man selbst versteckt sich, damit die Leute nicht lachen. Schon Mama hat gesagt, man soll sich verstecken, damit die Leute nicht lachen. Wenn man sich aber nicht versteckt, wenn man meint, man braucht sich nicht verstecken, dann lachen die Leute. Das lässt sich nicht vermeiden. Und Leute, die lachen, die müssen sterben. Alle Leute, die lachen, müssen sterben.
    So ist das. Deshalb musste die Frau aus dem Dorf auch sterben. Hat gelacht. Musste sterben.
    Aber die andere Frau, die Frau, die man schon so lange beobachtet, die hat alles gesehen. Hat wieder einmal alles gesehen. Und das ist nicht gut. Das ist überhaupt nicht gut.
    Längst hat man berichten müssen, hat sagen müssen, dass sie hier ist, die Frau. Gesucht wurde sie bereits, doch nicht gefunden, nicht sie, sondern diese andere. Das hat man gut gemacht, das hat man gut gemacht. Doch leider hat sie alles gesehen.
    Wer weiß, wie lange sie noch weiterleben darf. Denn keine, die lacht, darf weiterleben. Und die Frau hat gelacht. Ja, auch sie hat gelacht. Sie darf nicht weiterleben. Das muss man verstehen. Das muss man verstehen. Auch wenn man traurig ist.
    Man versteckt sich, damit sie nicht lachen. Doch würde man sich nicht verstecken, dann würde man auch wütend. Man würde auch wütend auf die Leute, die lachen. Und Leute, die über ihn lachen, die müssen sterben, so ist der Lauf der Dinge.
    Daran lässt sich nichts ändern.

XXVII

    Die Eltern der Rosi Wiestaler lebten auf der kleinen Anhöhe unweit der längst zerstörten Kirche. Ihr Heim, eine winzige Bauernkate, hatte Plünderungen, Bränden sowie anderen Gewalteinwirkungen getrotzt und stand nahezu so da, wie es vor den Einfällen der Schweden dagestanden hatte: unscheinbar, baufällig, schmutzig, aber bewohnbar.
    Hier hatte Rosi, nachdem ihr Brotgeber, der Bauer, sie wegen ihrer ausschweifenden und unzüchtigen Eskapaden mit diversen Schweden, Kaiserlichen und Bayerischen von seinem Hof gejagt hatte, wieder gelebt, und hierher machte Anna sich nun auf den Weg, um die Hinterbliebenen der jüngst Verstorbenen zu besuchen.
    Mit gleichgültigen Gesichtern und trüben Augen empfing man die junge Frau, ohne sie nach ihrem Anliegen zu fragen. Anna betrat die angenehm kühle, da fast völlig dunkle stube und nickte den drei alten Leuten zu, die dort auf ihren Bänken saßen. Es waren Mutter, Vater und Großmutter Wiestaler.
    »Grüß Gott, ich komme wegen der Rosi.« Anna wusste nicht, wie sie beginnen sollte.
    »Die Rosi ist tot«, sagte der Vater schroff und blickte den Gast dabei nicht einmal an, sondern schnitzte weiter an einer Marienfigur. Eine sehr schöne Figur, wie Anna auffiel, denn aus Verlegenheit starrte sie eine Weile auf dieses kleine Kunstwerk und überlegte dabei krampfhaft, wie sie fortfahren sollte.
    »Mein Name ist Anna Pippel, ich bin die Magd der Leni Gramshuber, und ich war es, die eure Rosi gefunden hat.«
    »Na und? Willst du etwa Dank dafür?« Der Mann schnitzte weiter, während die Frauen schwiegen.
    »Nein, ich bin hergekommen, um euch mein Mitgefühl auszusprechen und um ein wenig über Rosi zu erfahren.

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