Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
Lumpenlagers.
    Wie gut, dass sie nicht mehr hier leben musste. Hier zwischen all diesen verwahrlosten Gestalten, die auch nicht mehr zu bei ßen hatten als sie. Nein, es war besser, in dem abgebrannten Haus der Gramshuberin dahinzuvegetieren, als sich hier tagtäglich mit den unterschiedlichsten Seuchen zu infizieren und dann auch noch seine müden Knochen in Bewegung zu halten, um die Gewaltmärsche zu überleben, die ein solches Heer samt Anhang noch immer kreuz und quer durch Deutschland zwangen.
    Kein bekanntes Gesicht war zu sehen. Anna überlegte, ob sie ihren standort wechseln oder gar ganz frank und frei inmitten des Trosses herumstöbern sollte. Sie entschied sich für Letzteres und zog sich ihre Haube tief ins Gesicht. Wahrscheinlich würde man sie ohnehin nicht mehr erkennen, wenn es überhaupt noch jemanden gab, der sich an Anna Pippel erinnern konnte, die ja nur etwa ein halbes Jahr lang im Tross gelebt hatte.
    Ein solcher Tross war ohnehin einiger Wandlung unterzogen. Nicht nur, dass viele seiner Angehörigen starben – und in den letzten Jahren waren Hunderte, ja Tausende verstorben -, nein, auch die Fluktuation unter den einzelnen Heeresschwänzen war enorm. Dieser hier setzte sich aus den verschiedensten Teilen unterschiedlichster früherer Regimentstrosse zusammen und bildete in sich lediglich winzige kleine Einheiten, welche jedoch treu zusammenblieben, ob sie sich nun einem kaiserlichen, einem ligistischen oder gar einem schwedischen Heer angeschlossen hatten.
    Aufgrund des großen Durcheinanders der letzten Jahre – der Entlassung Wallensteins, des Todes Tillys und der Wiedereinberufung Wallensteins – war es ohnehin zu einem steten Wechsel auch unter den Soldaten gekommen. Viele mussten abdanken und konnten sich wenig später wieder einschreiben, andere waren zu den Schweden gewechselt oder auch in das bayerische Heer. Die Wahrscheinlichkeit, dass Anna das Glück haben würde, in diesem Aldringschen Heer ein bekanntes Gesicht zu finden, schien ihr sehr gering. Unmöglich jedoch war es nicht.
    Und so ging sie nun, lediglich mit ein wenig über die Augen gezogener Haube, durch die lagernden und herumlümmelnden Trossleute, die in der Mittagshitze dieses Sommertages meistenteils dem Nichtstun frönten, denn zu mehr fehlte ihnen Material, Kraft und Gelegenheit.
    Anna überlegte gerade, wie sie ein Gespräch mit einem dieser fremden Menschen beginnen sollte, als sie plötzlich einen schweren Arm auf ihren schultern spürte und einen Geruch wahrnahm, der ihr unangenehm vertraut war.
    »Die kleine Bäuerin! Na, dass ich dich irgendwann mal wiedersehe. Bist noch dünner geworden. Ein richtiges Knochengerüst. Aber man soll ja nicht wählerisch sein in diesen Tagen …«
    Es war der lange Kaspar, der totgeglaubte Kaspar. Der ekelhafte Mensch, welcher Anna nachgestellt hatte und welcher schließlich mit Hilfe eines von fremder Hand geworfenen steins gebremst worden war. Kaspar, der verschwunden war, nachdem sie hatte Hilfe holen wollen, welcher danach niemals mehr aufgetaucht war und von dem nicht nur jeder annahm, dass er tot, sondern auch, dass er der Vater von Thereses Kind gewesen sei.
    Anna sagte nichts. Irgendwie war sie erleichtert, ein bekanntes Gesicht zu sehen, zumal sie das von Kaspar, auch wenn er ein penetranter Schürzenjäger war, für harmlos hielt. Andererseits packte sie doch der nackte Ekel angesichts dieses Menschen, der noch immer nur das eine zu beabsichtigen schien.
    »Dachte, du seist auf und davon, kleine Bäuerin. Wo hast du denn gesteckt?«
    »Wo hast du gesteckt?« Anna versuchte frech zu wirken, doch es gelang ihr nicht, ihre Stimme bebte.
    »Ich? Ach ja. Du erinnerst dich. Hast mir ganz schön eine verpasst damals. Hab ein schwarzes Loch im Hirn, weiß selbst nicht, was ich eine Zeitlang so getrieben habe. Kann mich an nix erinnern, und wem habe ich das zu verdanken? Der kleinen Bäuerin.«
    »Aber an mich kannst du dich erinnern …« Anna ließ nicht ab von ihrem Vorhaben, dem Langen möglichst kaltschnäuzig gegenüberzutreten.
    »Und ob. Immerhin hast du mich dahin gebracht, dass ich wie ein Irrer herumgelaufen bin. Fast zwei Jahre. Und dann habe ich zufällig den Schnauber getroffen, einen alten Freund von mir. Ja, und wenn der mich nicht zurück in den Tross gebracht hätte, wer weiß, wo ich dann geblieben wäre. Dafür bist du mir einiges schuldig, kleine Bäuerin.«
    »Nichts bin ich dir schuldig.« Weshalb war dieser Mensch plötzlich so gesprächig? Anna war es

Weitere Kostenlose Bücher