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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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mit rechten Dingen zu. Aber was soll man machen?«
    Anna hatte genug gehört und überlegte nun, wie sie sich am besten verabschieden sollte. Irgendwie hatte dieser Kerl ihr Vertrauen gewonnen, und sie war drauf und dran, ihm zu erzählen, dass sie und der alte Mergel nicht weit von hier in einem verfallenden Bauernhaus lebten. Es würde ihn sicher freuen, und mehr noch würde es Hans Mergel freuen, wenn er wieder mit jemandem über alte Tage schwätzen und gemeinsame Erinnerungen austauschen konnte. Das war doch das Größte und Schönste für diesen Greis, der mehr und mehr in ein trübes Siechtum verfiel, was Anna ernstlich sorgen bereitete.
    Vielleicht ein andermal, dachte sie und entschied sich, dem langen Kaspar nicht zu viel zu verraten.
    »Ich schau mich noch ein wenig um. Wo kann ich dich denn finden, falls ich mir doch noch überlege hierzubleiben?« sie wollte ihn versöhnlich stimmen.
    »Ja, ja, ja, weiß schon, dass du dich still und heimlich verdrücken willst. Bin ja nicht doof, kleine Bäuerin. Wo willst du denn hin?«
    »Weiß nicht. Will mich halt umschauen.«
    »Kann ja mitkommen. Zu deinem schutz, versteht sich.«
    »Ich glaube, ich komme allein zurecht.«
    »Das glaube ich kaum. Hat sich vieles verändert. Auch hier im Tross. Ist nicht mehr so wie früher. Von wegen Zusammenhalt und so. Die plündern sich mittlerweile gegenseitig aus, und wenn du nachts nicht aufpasst, dann haut dir dein Nachbar den Schädel ein.«
    Was sollte sie nun tun? Würde sie diesen Menschen jemals loswerden? Anna entschloss sich, ihn doch einzuweihen. »Weißt du was? Wenn du mir versprichst, dass du deine Finger bei dir behältst und keinen deiner verkommenen Kumpane mitbringst, dann kannst du mich begleiten, und wir besuchen gemeinsam den alten Mergel. Er lebt mit mir nicht weit von hier. Glaub aber ja nicht, wir könnten dich aufnehmen! Haben selbst nicht genug zum Überleben. Kannst uns besuchen und einen Abend lang mit dem Alten schwatzen. Dann musst du wieder gehen.«
    Kaspar schaute sie ungläubig an. »Na gut, wenn du das so sagst. Gerne komme ich mit. Mag den Alten. Langweilt einen zwar manchmal, wenn er seine ollen Geschichten erzählt, aber der hat auch durchaus Lustiges auf Lager. Hole nur kurz einen Schlauch mit schnaps, den habe ich gut versteckt und für einen besonderen Anlass aufgehoben. Kommst aber mit, kleine Bäuerin, nicht dass du dich heimlich verkriechst, wenn ich fort bin.«
    Anna ging auf das Angebot ein, holte zusammen mit dem langen Kaspar den besagten schnaps aus seinem lumpigen Zelt und machte sich dann mit diesem Menschen, der ihr langsam etwas angenehmer erschien, auf den Weg zurück in ihr Dorf. Ob das eine gute Entscheidung war, wusste sie noch immer nicht.
    Doch Kaspar benahm sich. Auf dem Weg, der immerhin zwei Meilen betrug, erzählte er noch viel. Und seine aufdringliche Art verwandelte sich, offenbar von Annas ungewöhnlich schroffem und unnahbarem Auftreten eingeschüchtert, in eine fast schon höfliche Zurückhaltung.
    Im Gramshuber-Stall angekommen, freute sich der alte Mergel sehr, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Auch wenn Kaspar nicht unbedingt sein bester Freund gewesen war, so war er doch die willkommene Abwechslung, die der Alte gebraucht hatte, um aus seiner Lethargie zu erwachen. Er war so still und teilnahmslos geworden, dass Anna und Balthasar schon mit dem schlimmsten gerechnet hatten und an jedem Morgen froh waren, an dem der alte Mann doch wieder seine Augen auf-schlug.
    Anna war selig, ihren treuen Freund glücklich zu sehen und ihn bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Erzählen, zu beobachten. Während sie so im Stall saßen und nur hin und wieder durch die schüsse betrunkener Soldaten, die auf Eseln durchs Dorf ritten, aufgeschreckt wurden, dachte Anna über all das nach, was sie in den letzten zwei Tagen über den Mörder erfahren hatte.
    Sie glaubte mittlerweile, nein: sie war sich sicher, dass es sich um keinen Geist, keinen Teufel handelte, sondern um einen Menschen aus Fleisch und Blut. Einen Menschen, der sich schon damals im Tross des Heeres, welches durch ihr westfälisches Dorf gezogen war, aufhielt und der sich nun immer noch inmitten dieser fast zahl-, heimat- und oft in jeder Hinsicht hemmungslosen Menschen befand, weil er dort am wenigsten in Erscheinung trat. Er fiel nicht auf, einfach deshalb, weil es um ihn herum eine Vielzahl solcher gab, die auf den ersten Blick schlimmer waren als er. Nur, wer war dieser Mann? Und wie sollte sie ihn

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