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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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recht, denn zum einen konnte einer, der viel schwätzte, nicht so leicht gleichzeitig handgreiflich werden; und zum anderen war es möglich, aus ihm, wenn er denn schon so redselig war, die eine oder andere Information herauszubekommen. Nur, wie sollte sie es anstellen, ohne dass er dafür eine Gegenleistung verlangte?
    »Und wie geht es dir jetzt?«, fragte sie.
    »Mir? Wie es mir geht? Schlecht geht es mir. Wie es allen schlecht geht. Nix zu beißen haben wir, nix zu saufen, und die Weiber sehen auch alle aus wie Bohnenstangen. Das schlimmste sind aber die verdammten Seuchen, da packt es jeden Tag mindestens einen, und was das Dumme daran ist: Jeder hat irgendwas anderes angeschleppt, krepieren nicht einmal alle an derselben Sache. Man weiß gar nicht mehr, wie man sich schützen soll. Die einen sagen waschen, die anderen beten, und wieder andere vertreten die Meinung, man sollte keine Weiber mehr anlangen. Die wären alle mit der Pest verseucht. Waschen und beten lasse ich mir ja noch gefallen, aber auf das Weibsvolk verzichten kann ich nicht.«
    »Weißt du denn auch, was aus Therese geworden ist?« Anna packte die Gelegenheit beim schopfe und lenkte das Gespräch auf das Thema, welches sie interessierte.
    »Verbrannt haben sie sie. Ja, das habe ich gehört. War verrückt, die Kleine, nicht richtig in der Birne, aber’ne Hexe war das nicht. Nicht mal die alte Liese war eine Hexe, obwohl man das hätte meinen können. Und seit wann hat es dich wieder hierher ver-schlagen in unseren altvertrauten Tross, kleine Bäuerin?«
    »Ich gehöre nicht dazu, bin heute einfach so vorbeigekommen.« Hätte sie das sagen sollen?
    »Wie? Wo bist du denn dann geblieben?«
    »Überall und nirgends. Mal hier, mal dort«, log Anna.
    »Na, dann kannst du auch hierbleiben. Kannst ja meine Begleiterin werden, müssen ja nicht gleich heiraten. Zumindest so lange, bis einer von uns beiden was Besseres gefunden hat.«
    Anna lächelte nur ein wenig. Sie wollte Kaspar keine Hoffnungen machen, ihn aber auch nicht vergraulen. Dann fuhr sie fort: »Ja, das mit Liese und Therese war ungeheuerlich. Ich darf gar nicht daran denken.« Und sie wurde bei diesen Worten tatsächlich traurig.
    »Weiß schon, dass man dich und den Mergel fortgejagt hat. Habt da aber ganz schönes Glück gehabt, kann ich euch sagen. Was macht der Alte, lebt er noch?«
    Anna zuckte mit den Schultern. sie wollte ihren treuen Begleiter aus dem Spiel lassen, zumindest, solange sie nicht sicher war, ob man dem langen Kaspar vertrauen konnte.
    »Redet man noch von der Sache?«, fragte sie weiter. »Ja, durchaus. Ich glaube, die wollten damals einen schuldigen sehen, egal wen. Waren wohl ganz schön aufgebracht. Aber das hat sich gelegt, schon recht schnell hat sich das gelegt.«
    »Wieso?«
    »Na, weil es weiterging.«
    »Es ging weiter?«
    »Ja, aber ordentlich. Erst war’ne Weile Ruhe. Bestimmt ein halbes Jahr. So wurde mir berichtet, ich war ja nicht dabei. Dann in Memmingen, als die im Lager waren, da ging es plötzlich weiter, und seitdem hört man hier und da wieder davon. Erst vorletzte Woche hat es hier im Tross wieder einen Fall gegeben. Die lahme Dorothea, eine Wanderhure, schönes Weib, hatte nur einen Fehler: Ihr fehlte ein Fuß. Deshalb hieß sie die Lahme. Ich fand’s nicht schlimm. So ein fehlender Fuß fällt bei anderen Reizen nicht so sehr ins Gewicht, wenn du verstehst, was ich meine. Na, die hat es halt erwischt. Vor zwei Wochen erst. Und davor war es eine von den alten Wäscherinnen, und davor irgendeine Neue, die einer der Soldaten aus einem Dorf hier in der Gegend verschleppt hatte. Ja, und was so in den Bauernhäusern passiert, das kriegt man hier nicht immer unbedingt mit. Kurz und gut, der treibt noch ordentlich sein Unwesen, und Liese und Therese haben dran glauben müssen. Tja, das nennt man wohl Pech.«
    »Und man weiß noch immer nicht, wer dahintersteckt?«
    »Nein. Kümmert sich auch keiner mehr drum. Gehört einfach dazu. Hin und wieder hängt da halt eine. Das ist genauso normal geworden, wie wenn einer an der Pest krepiert oder an Hungertyphus. Kommt halt vor, so wie man im Winter erfriert oder in einer Schlacht in den Kopf geschossen wird. Jeder ist mal dran, und so manches Weib halt auf diese Art und Weise. Angst hat da keine mehr. Da ist es doch wahrscheinlicher, dass dich eher noch ein anderer Tod ereilt. Alle vier bis fünf Wochen, mein Gott, da kräht doch kein Hahn nach. Aber ich merke mir das schon. Ja, ich schon. Da geht es nicht

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