Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
ist das nicht weiter aufgefallen. Du weißt selbst, wie es im Krieg zugeht. Da hing da halt mal eine an einem Baum oder in einer Scheune. Doch immer war da ein kleiner, wimmernder Hund und manchmal auch diese Sanduhr. Ganz so, als wollte der, der es gemacht hat, ein Zeichen hinterlassen.«
»Und so was macht nur der Satan«, setzte der dünne Kaspar Mergels Worte fort.
»Wir sind verflucht, wir sind verflucht, wir sind verflucht«, kreischte plötzlich die bisher stumme, junge Frau nun mit entsetzlich hoher stimme.
»Ja, so scheint es zu sein«, bestätigte Hans Mergel ganz ruhig ihre Worte. »Die Erste, von der ich weiß, war die Elisabeth Stiegler, ein bayerisches Mädel. Die war kein Unschuldslamm. Wann war das? Vor vier Jahren etwa, da war das Wallensteiner Heer noch ganz frisch. Ich war gerade dazugestoßen. Doch vorher soll es auch schon Fälle gegeben haben, in anderen Heeren, so wurde mir zumindest berichtet. Seitdem haben wir immer wieder davon gehört. Wie viele arme Bauersfrauen jedoch in ihren Häusern hängen, ohne dass wir es erfahren, möchte ich gar nicht wissen. Jetzt allerdings war eine Zeitlang Ruhe. Keine Lagerhure ist verschwunden, kein Trossmädchen, alle sind noch da. Wir hatten schon gehofft, dass es vorbei ist.
Immer wieder dachte man, man hätte ihn gefunden. Weißt du noch, Liese, wie sie den lahmen Johann verdächtigt haben? Ohne Gericht zu halten, wurde er einfach einen Kopf kürzer gemacht. Doch aufgehört hat es trotzdem nicht.
Und dann glaubte man doch tatsächlich, dass es Frauen sind, die das tun. Die Regina Schüttler soll es gewesen sein, die aus diesem schwäbischen Ort, aus dem sie schon geflohen war, weil man sie dort der Hexerei beschuldigt hatte. Sie und ihre Tochter, ein fünfzehnjähriges Mädchen. Damals waren eine schwangere Trossfrau und die hübsche Tochter eines Brotbäckers innerhalb von zwei Tagen erhängt aufgefunden worden. Regina hatte sich noch kurz vorher mit der Schwangeren in den Haaren gehabt, und das Bäckersmädchen hatte der Schüttlertochter den Verlobten ausgespannt. Das reichte, um die beiden zu verdächtigen. Zuerst hat man sie nackt ausgezogen und dann peinlich verhört. Und wie peinlich, das möchte ich gar nicht schildern. Die Leute waren so aufgebracht, dass die beiden schließlich in eine Waldlichtung geschleppt wurden. Dort hat man sie an einen freistehenden Baum gebunden, Reisig um sie gestapelt und angezündet. Aber auch danach hat es nicht aufgehört.
Es ist die Strafe Gottes für unsere Taten. Es ist seine Strafe dafür, dass wir uns vom Krieg ernähren, dass wir leben, weil andere leiden«, schloss Hans Mergel.
»Sei jetzt ruhig, Hans. Wir wollen nicht weiter darüber reden. Lässt sich eh nichts mehr ändern. Annas Schwester ist und bleibt tot«, sagte Liese in einem äußerst bitteren Ton.
Doch der dünne Kaspar erklärte daraufhin nüchtern: »Seitdem ich hier bin – und das sind jetzt drei Jahre -, sind es mindestens zwei Dutzend Weiber gewesen. Von so vielen weiß ich, können auch mehr sein. Die Hunde, wenn sie nicht alle ertränkt worden wären, würden schon ein stattliches Rudel abgeben.«
»Man muss ihn finden und ertränken. Ertränken muss man ihn«, rief wieder das Mädchen.
»Sie meint den Hund. Alle kleinen Hündchen, die man bei den Leichen findet, werden ertränkt, weil man glaubt, dass sie verflucht sind. Der Rumormeister höchstpersönlich übernimmt diese Aufgabe.« So erklärte Hans Mergel die wirren Worte der jungen Frau.
Anna versuchte so schnell wie möglich aufzustehen. Doch sie schaffte es nicht mehr rechtzeitig, vom Lagerfeuer fortzukommen, bevor sie den kostbaren schinken, den Fladen und den Käse nahezu unverdaut wieder von sich gab.
IV
W ie konnte das nur passieren? Wie konnte sie so schnell verschwinden? Man hat sie einfach aus den Augen verloren. War nicht schnell genug. Hätte achtsamer sein müssen. Ist mit der Hexe fort. Wo soll man sie nur suchen?
Wird sie schon wieder finden. Muss ja hier sein, hier bei den vielen Soldaten und ihren Weibern. Muss hier sein, ist ja mit der Hexe gegangen.
Jetzt muss man nur noch ein wenig warten, bis alle Lichter aus sind und alle schlafen. Dann ist die rechte Zeit, dann kann man es wagen, kann sich ins Lager schleichen. Dann kann man sich etwas zu essen suchen.
Man wird sie schon wieder finden. Kann nicht weit sein, wird jetzt auch schlafen. Ist sicherlich bei der Hexe.
Bald gehen die Lichter aus. Es dauert nicht mehr lang. Gar nicht mehr lang.
Anna
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