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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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gereinigt werden. Alles war klamm und stockig und roch deshalb äußerst unangenehm.
    »Das bringt eh nichts, aber mach ruhig, Mädel«, sagte der alte Mergel, als er ihr seine einzigen Kleidungsstücke reichte, nachdem er sich notdürftig aus einer alten Decke ein Gewand gemacht hatte, welches ihn zu einer kleinen Erzählung über den Kalifen von Bagdad anregte.
    Noch während Mergel erzählte, machte sich Anna, bepackt mit den Wäschestücken ihrer Begleiter, auf den Weg zu einem kleinen Bachlauf. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, etwas abseits zu waschen, um nicht den missmutigen Blicken der anderen Frauen ausgesetzt zu sein. Doch dann holte sie plötzlich die Näherin Ursula Schmeichel ein, dieselbe Frau, die hinter Lieses Wagen im Tross einherging und die Gruppe darauf aufmerksam gemacht hatte, dass bei Therese die Wehen eingesetzt hatten.
    Ursula Schmeichel war eine überaus groß gewachsene und sehr hagere Frau. Trotz ihrer Körperlänge schritt sie immer sehr gerade, so gerade, dass sie sich fast schon wieder nach hinten zu neigen schien. Wahrscheinlich, so dachte Anna, hatte sie Rückenschmerzen, denn beim Nähen, was ja ihr Geschäft war, saß man nun einmal sehr krumm. Ihr Haar trug die schmeichel kurz, um die Läuse und die Kerle fernzuhalten, und insgesamt erinnerte ihr Erscheinungsbild eher an einen dünnen Burschen mit faltigem Gesicht als an eine Frau.
    Seitdem Liese in Verdacht stand, etwas mit der Mordserie zu tun zu haben, sprach auch Ursula Schmeichel nicht mehr mit ihr. Die beiden Frauen hatten sich ohnehin nie wirklich gemocht und nur aus gutnachbarschaftlichen Gründen einige Worte miteinander gewechselt. Ein Verlust also, den Liese gut verkraften konnte.
    Selbige Ursula Schmeichel kam nun, ebenfalls mit einem Korb Wäsche unter dem Arm, hinter Anna herstolziert und rief lispelnd: »Bäuerin, gehst du auch zum Bach?«
    »Ja, gehe ich.«
    »Ich kann dir eine Stelle zeigen, an der es sich besonders gut waschen und schwatzen lässt. Komm mit und sei nicht schüchtern, werde dir schon nicht den Kopf abreißen.«
    Obwohl sie keine rechte Lust hatte, diese Frau zu begleiten, die sich sicherlich mit anderen Klatschbasen verabredet hatte, wollte Anna nicht Nein sagen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wieder einmal mit anderen reden zu können, dachte sie sich und versuchte die Aufforderung als eine Geste der Wiederannäherung zu verstehen.
    »Wo habt ihr denn so lange gesteckt?«
    »In einer alten Hütte. Therese ist niedergekommen und konnte nicht sofort weiterziehen.«
    »Wieso das nicht? Ist doch ein zähes Ding, das lose Luder. Wo ist das Kind?«
    »Es ist gestorben, es hatte einen zu großen Kopf.«
    »Oh, Himmel. Auch das noch. Die bringt Unglück, die Kroll.«
    »Was hat Liese damit zu tun, wenn Therese ein missgestaltetes Kind gebiert?« Anna begann aufzubegehren.
    »Die hat mit vielem was zu tun, mit sehr, sehr vielem. Lass es dir gesagt sein, Mädchen. Die hat es faustdick hinter den Ohren. Ich könnte dir Dinge erzählen … Was glaubst du, warum ich dich abgefangen habe? Du tust mir leid, bist doch so unschuldig und weißt gar nicht, in was für ein Wespennest, ach was sag ich da, Hexennest, du da hineingeraten bist. Über die Kroll gibt es Geschichten, wenn da nur ein Fünkchen Wahrheit dran ist, dann reicht das aus, damit sie auf immer und ewig in der Hölle schmort.«
    »Ich weiß von nichts, und ich will es gar nicht wissen. Liese ist immer gut zu mir, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zu schlimmen Taten in der Lage wäre.«
    »Wo ist denn nun das Kindelein des dummen Kreischweibes?«
    »Tot, das habe ich doch schon gesagt. Tot und begraben.«
    »Wer hat es begraben?«
    »Liese und ich.«
    »Ihr alle beide?«
    »Ja, wir beide.«
    »Und, hat sie etwas gemurmelt, als sie das Kind begraben hat?«
    »Was soll sie schon gemurmelt haben? Das Vaterunser haben wir gesprochen, das ist alles«, log Anna und wurde immer böser auf dieses neugierige Weibsbild.
    »Liese hat noch nie gebetet, und erst recht nicht das Vaterunser«, bemerkte Ursula nur spitz und sprach dann eine Zeitlang gar nichts mehr. Erst als sie am Bach angekommen waren, wurde sie wieder ein wenig freundlicher und machte Anna mit den Frauen bekannt, die dort bereits ihre Wäsche wuschen.
    Anna hatte sie alle schon gesehen, doch nie mit ihnen gesprochen. Sie verrichtete ihre Arbeit gerne in Ruhe und hatte sich nie an den schwätzereien der Waschweiber beteiligt. Sie kannte ja ohnehin niemanden von den Leuten,

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