Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Tilly-Heer war bekannt, dass es zwar nicht unter den Trossleuten selbst, so doch auf deren Zügen durchs Land immer wieder zu besagten Mordfällen an Bäuerinnen und Mägden gekommen sei. Damals habe man jedoch keinen Verdacht gegen die emsige Liese gehegt. War sie doch stets aufmerksam und auf das Wohl ihrer Kundschaft bedacht.
Als dann jedoch eines Tages die Ehefrau eines hohen Offiziers zu Besuch erwartet wurde und ausblieb und als die dann baumelnd an einem Baume vorgefunden wurde, und zwar von niemand Geringerem als der Marketenderin Liese, da endlich wurde die Luft dünner. Doch bevor man sie ergreifen konnte, verschwand sie und tauchte schließlich im Heere Wallensteins wieder auf, wo sie ihre Mordtaten zwei Jahre lang einstellte, um unauffällig zu bleiben.
stattdessen begnügte sie sich damit, heimlich in den Wäldern Katzen zu schlachten und zu kochen. Und der Teufel, in Gestalt eines jungen Hundes, schaute ihr dabei zu.
Nach zwei Jahren jedoch wollte er wieder richtige Opfer sehen, es dürstete ihn danach, mehr als je zuvor. Und so wurde der ahnungslose Tross dieses Regiments heimgesucht. Immer und immer wieder, ohne Gnade. Auch hier verdächtigte niemand die Liese – bis man eines Tages in ihrem Wagen einen Wurf bunter Welpen fand, nachdem am Vortag bei einer erhängten Trosshure namens sophie Thürauf ein selbiger, ge-scheckt und mit Schlappohren, gesessen hatte. Dank des Beistandes von Pastor Bracht, der sich für die Marketenderin einsetzte, entging sie dem Lynchgericht, und als man dann nach dem nächsten Todesfall die Schüttler aufgriff, wurde über Liese gar nicht mehr geredet.
Doch die Morde nahmen ihren Lauf. Sosehr man auch die Augen davor zu verschließen suchte, sie fanden kein Ende. Mehrere Unschuldige wurden verurteilt und hingerichtet, doch der wahre Mörder war augenscheinlich nicht unter ihnen gewesen.
Immer deutlicher wurde, dass sämtliche Todesfälle der Folgezeit in räumlicher Nähe oder in unmittelbarer Beziehung zu Liese Kroll standen. Man wurde wieder misstrauischer, doch nachweisen konnte man es ihr nicht. Ihre Geschäfte liefen weiterhin gut. Als jedoch die Eva Sehlmann – ihre Identität war mittlerweile bekannt – in der Kirche aufgefunden wurde, da war sich jeder sicher. Die Liese war es. Denn dieser Mord geschah, als der Tross bereits weit entfernt war und nur Liese sowie einige wenige, jedoch Unverdächtige, zurückgeblieben waren.
Seither also ging man der Lumpenliese aus dem Weg. Man fürchtete sich vor ihr, achtete sie jedoch noch so weit, dass man ihr nichts tat. Besonders der Pastor beruhigte die Gemüter und rief dazu auf, sich nicht erneut gegen eine möglicherweise Unschuldige zu versündigen. Man benötige Beweise, und nach diesen müsse man nun suchen.
So weit die Geschichte der Liese Kroll, die in dieser und in zahlreichen abgewandelten Formen, deren bunte Ausschmückungen keine Grenzen kannten, im Lager kursierte.
Anna hatte nach außen hin gleichmütig zugehört und einige Male protestierend den Kopf geschüttelt – vor allem, als es darum ging, dass Liese im Wald Katzen gekocht habe. So etwas konnte sie sich nun rein gar nicht vorstellen. Innerlich jedoch war Anna zerrissen. Denn einerseits war sie sich sicher, dass fast alles, was sie da hörte, erstunken und erlogen war, andererseits wusste sie, dass an allen Gerüchten, die innerhalb einer Gemeinschaft in Umlauf gebracht werden, meistens auch ein Fünkchen Wahrheit war.
So hatte man sich zum Beispiel über die dralle Katharina aus Annas Dorf – die Magd, die so grausam von den Marodeuren gequält worden war – erzählt, sie habe ein Verhältnis mit dem Dorfpfarrer gehabt und hätte gar die Schamlosigkeit besessen, ihn splitternackt auf dem Altar liegend zu erwarten und ebendort zu verführen. Letztere Details, da war sich Anna immer sicher gewesen, entsprangen mit großer Wahrscheinlichkeit der schmutzigen Fantasie von Wirtshausbesuchern. Doch dass die beiden hin und wieder ein Stelldichein hatten, davon wusste sie. Sie hatte sie nämlich heimlich und rein zufällig beobachtet, als der Dorfpfarrer, nachdem er der Mutter des Bauern schulz die letzte Ölung verabreicht hatte, das stille Örtchen auf dem Hinterhof aufsuchte und kurz danach die Katharina hinterher-schlüpfte. Beide hatten sich unbeobachtet gefühlt, und Anna hätte sicherlich nicht hingesehen, hätte sie nicht in ihrer Unschuld vermutet, dass es sich um das versehentliche Aufsuchen ein und desselben Ortes zu ein und derselben
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