Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
die Thema ihrer Lästereien waren – außer Liese natürlich, und über die sprachen die Klatschbasen nie, wenn Anna in Hörweite war.
»Ach, das ist doch die Magd von der Kroll.« Eine schwammige, käsebleiche Person von etwa vierzig Jahren musterte Anna von oben bis unten und versuchte dabei freundlich zu lächeln, was ihr jedoch nicht gelang.
»Willst du heute mal mit uns waschen?«, fragte eine kleine Blonde, die sehr hübsch gewesen wäre, hätte sich ihre Dummheit nicht allzu deutlich in sämtlichen Gesichtszügen Ausdruck zu verschaffen gewusst.
»Solange sie die Liese nicht mitbringt …«, gab schließlich eine Dritte von sich, ein Mannsweib mit dunklem Oberlippenflaum, das es nicht einmal für nötig hielt, Anna eines Blickes zu würdigen.
Man machte sich an die Arbeit, und Anna bereute es zutiefst, das Angebot Ursula schmeichels angenommen zu haben. Schweigsam tauchte sie ihre Hände in das bitterkalte Wasser und genoss dieses frische Gefühl, welches sie wenigstens für einen kurzen Augenblick von dieser unangenehmen situation ablenkte. Sie nahm sich vor, möglichst schnell fertig zu werden und dann allein zum Lager zurückzukehren. Worte wechseln wollte sie so wenig wie möglich, und auch nur dann, wenn sie gefragt wurde. Und sie wurde gefragt, mehr als ihr lieb war:
»Woher hat Liese ihr ganzes Geld? Hat sie ein Verhältnis mit dem alten Mergel? Ist der Mergel nicht etwa sogar ihr Bruder? Braut die Liese noch immer Zaubertränke? Hat sie einen Besen? Verschwindet sie des Nachts heimlich? Lästert sie Gott? Wie alt ist die Liese eigentlich? Hat sie nie Kinder gehabt? Hat Anna sie schon einmal nackt gesehen? Hat sie seltsame Flecken am Körper? Was isst die Liese am liebsten? Isst sie überhaupt? Trinkt sie Alkohol? Wie oft wäscht sie sich? War schon einmal ein Mann bei ihr in der letzten Zeit?«
Die Liste ließe sich nahezu unendlich fortsetzen. Anna war bemüht, auf dieses Feuerwerk so knapp und ehrlich wie möglich zu antworten – ehrlich deshalb, weil sie davon überzeugt war, dass es nichts zu verbergen gab. Als Lohn für ihre Auskunftsfreudigkeit erzählten ihr schließlich die Weiber die Geschichte der Liese Kroll, ganz so wie sie im Lager erzählt wurde.
Und diese Geschichte lautete so:
Liese Kroll soll vor nicht ganz genau vierzig Jahren irgendwo im Norden Deutschlands das Licht der Welt erblickt haben. Ihr Vater war Kaufmann – ob reich oder arm, darüber schieden sich die Geister. Einige behaupteten sogar, er sei ein jüdi-scher Hausierer gewesen. Liese verließ – aus welchem Grund, war unbekannt – schon früh das Elternhaus und landete in der Stadt Lübeck in einem heimlichen Freudenhaus.
Dort blieb sie nur wenige Jahre, denn es stellte sich heraus, dass mehreren der Herren, die bei ihr verkehrt hatten, das beste Stück abgefault war; es war einfach schwarz geworden und abgefallen, so hieß es. Eine solche Dame war natürlich geschäfts-schädigend, und deshalb warf die Betreiberin des Hauses, nachdem sich die Beschwerden, trotz aller Peinlichkeit, herumge-sprochen und verdichtet hatten, sie hinaus.
Liese ging, doch kurze Zeit nach ihrem Verschwinden ereignete sich Unheimliches in dem Sündenpfuhl. Alle Huren, ein-schließlich der Kupplerin, hingen aufgeknüpft und mit durchtrennter Kehle in ihren Kammern. Ob auch kleine Hündelein umherliefen, darüber konnte nach so langer Zeit nichts mehr in Erfahrung gebracht werden. Wahrscheinlich, so lautete die Erklärung, schenkte man dazumal diesem besonderen Tatbestand keine weitere Beachtung. Waren doch solche Damen durchaus mitunter in Besitz eines putzigen Welpen.
Auch die Jahre zwischen ihrem Fortgang aus Lübeck und ihrem Eintritt in den Krieg lagen im Dunkeln. Liese Kroll tauchte erst wieder im Ligaheer Tillys auf, mit welchem sie durch Böhmen und die Pfalz zog. Mittlerweile hatte sie es zu einem für die Verhältnisse einer einfachen Marketenderin beachtlichen Reichtum gebracht. Auf die Frage, wie sie das geschafft habe, habe sie einer Trossfrau geantwortet, sie habe Hilfe von unten, von ganz weit unten, bekommen.
Einen Pakt mit dem Teufel soll sie geschlossen haben, so wird berichtet, er habe ihr versprochen, sie vor ihren Lübecker Hä-schern zu beschützen und ihr Geld zu verschaffen. Sie musste ihm dafür nicht nur ihre eigene Seele verkaufen, sondern ihm auch in regelmäßigen Abständen die Seelen Unschuldiger zum Opfer bringen. Auf diesen Vertrag hatte sich Liese dann offensichtlich eingelassen, denn auch aus dem
Weitere Kostenlose Bücher