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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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welches schon eher die Bezeichnung Mist verdiente, denn nicht anders sah es aus, und es roch sogar strenger. Vor Schmutz starrende Leinenfetzen sollten als Decke dienen. Auf einer Holzkiste brannte ein Talglicht und erleuchtete die rußigen Holzwände, hinter denen das Krabbeln des Ungeziefers zu hören war. Alles in allem ein nicht besonders einladendes Örtchen. Doch sowohl Anna als auch ihr Begleiter waren einfache Behausungen gewohnt, und so schreckte diese Unterkunft sie weniger, als der Wirt befürchtet hatte.
    Als Anna am nächsten Morgen erwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie war. Sie fand sich halbbekleidet auf schmutzigen Laken in einem uralten Bett wieder. Im Zimmer war es düster und furchtbar kalt, ihr Kopf drohte zu zerplatzen. Annas erste Handlung war genauso schlicht wie erleichternd, sie beugte sich aus dem Bett und erbrach sich auf dem ohnehin mit Unrat überhäuften Boden. Dann öffnete sie die winzige Luke, die den Blick nach draußen freigab. Es war bereits hell, und die Sonne schien an diesem Herbstmorgen. Allem Anschein nach musste es bald Mittag sein.
    Außer ihr war niemand im Raum, und es vergingen einige Augenblicke, bis sie sich langsam an den vergangenen Abend erinnerte und es ihr dämmerte, dass sie dieses Haus nicht allein betreten hatte. Doch von dem Reitersmann war keine Spur zu sehen, er schien bereits das Weite gesucht zu haben.
    Anna war es recht. Die ganze situation war ihr ohnehin mehr als peinlich, und je weiter ihr Liebhaber davon war, desto geringer war die Gefahr, dass jemals irgendwer von diesem Abenteuer erfahren würde, an welches sie sich beim besten Willen nicht mehr genau erinnern konnte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob überhaupt hier, in diesem mehr als schlichten Zimmer, etwas zwischen ihr und dem Unbekannten passiert war. Anna verbot sich, weiter darüber nachzudenken, sie schämte sich viel zu sehr. stattdessen überlegte sie, wie sie nun möglichst unbemerkt dieses Gebäude verlassen konnte.
    Sie war bemüht, sich so leise wie möglich anzukleiden, und machte sich dann auf Zehenspitzen daran, die knarrende Holzstiege, die in die Schankstube führte, hinunterzuklettern. Unten war alles leer, keine Menschenseele war zu sehen, vom Wirt und seinen Freunden zum Glück nicht die geringste Spur. Erleichtert trat Anna vor die Haustür und verschwand schnellen schrittes aus der sichtweite des Gasthauses.
    Erst als die Schenke nicht mehr zu sehen war, versuchte sie sich zu orientieren und beschloss, wieder den Weg durch den Wald zu nehmen, den See zu finden und sich von dort aus auf die Suche nach der Behausung zu machen, die sie zusammen mit ihren drei Begleitern seit einigen Tagen bewohnte. Liese, da war sie sich sicher, war längst dorthin zurückgekehrt. Einer wie Liese würde doch im Wald nichts geschehen, und erst recht würde sie sich nicht von einfachen Strauchdieben in ernsthaften Schrecken versetzen lassen.
    Da ist sie, die Frau. Man hat sie verloren. Hat sich erschreckt, als die Räuber kamen. Da ist sie. Man hat Angst um sie gehabt.
    Der Mann. Was wollte er von der Frau? Hat sie angeschaut. Soll sie in Frieden lassen. Nicht, dass sie wegläuft und man sie nicht wiederfindet. Man muss doch in ihrer Nähe bleiben, weil man sie lieb hat.
    Gut, dass sie wieder da ist. Da kommt sie und sucht das Kind. Das arme Kind. Ist tot, das Kind. Besser so. Hätte sich sonst auch verstecken müssen. Immerzu, ein Leben lang. Verstecken, damit niemand lacht.
    Es dauerte nicht lange, da erreichte Anna bereits den See, an dessen sumpfigem Ufer sie das Kindelein hatten begraben wollen. Sie war noch nicht ganz an der stelle angelangt, an der sie am Vorabend den fremden Reiter getroffen hatten, als sie bemerkte, dass sich dort eine Gruppe von Menschen versammelt hatte. Anna verbarg sich, wie sie es schon so oft getan hatte, im Gebüsch und beobachtete das Geschehen.
    Das Bild, welches sich ihr bot, war mehr als grotesk. Dort lag ein totes Pferd, dem die Leichenstarre mittlerweile die Beine in die Luft stehen ließ. Und direkt daneben – das konnte Anna deshalb so gut erkennen, weil sie ahnte, worum es sich handelte – lag das aus seiner Decke gelöste tote, missgestaltete Neugeborene der armen Trese. Ein Bild, das der Teufel nicht hätte besser inszenieren können und das dennoch, das wusste Anna ja, auf vollkommen natürlichem Wege zustande gekommen war.
    Sie hatte doch einfach nur mit Liese das arme kleine Ding beerdigen wollen, als plötzlich dieser Reiter gekommen war,

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