Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Gesuchte rein zufällig über den Weg. Doch sie musste sich beeilen, es blieb nicht mehr viel Zeit.
Vorsichtig schlich sie sich auf den Hof des ersten Hauses, ging am Schweinestall vorüber, in welchem nun Pferde standen, ignorierte den modrigen Geruch, der aus den offenen Türen des Speichergebäudes drang, und ließ die verkohlten Reste des Backhauses hinter sich. Als sie schließlich am Seiteneingang des großen Haupthauses angelangt und ihr bis dahin keine Menschenseele begegnet war, öffnete sie vorsichtig die niedrige Tür, bei der selbst sie sich bücken musste, um das Innere zu betreten.
Hier roch es nach geschlachtetem Federvieh, Pferdemist, Schweiß, Alkohol und Erbrochenem. Man hatte allem Anschein nach am Abend zuvor ein wildes Gelage gefeiert. Die Türen zu den einzelnen Wohnkammern im hinteren Bereich des Hauses waren sämtlich geschlossen. Gegenüber dem Nebeneingang, durch welchen Anna gekommen und bei dem sie nun stehen geblieben war, befand sich eine offene Küche. Darin saßen ein Knabe und eine alte Magd. Die Frau hatte gerade ein Huhn ausgenommen, der Junge Becher und Teller für die unwillkommenen Gäste geputzt, welche man aus den Wohnräumen mehr als deutlich schnarchen hörte.
Nun hatten sie jedoch beide in ihrer Arbeit innegehalten und schauten zu Anna, die ihren Umhang nach hinten warf und eilig, ihre Furcht, erkannt zu werden, vergessend, auf dieses harmlose Paar zuging.
»Wisst ihr, wo sich ein junger Reiter befindet? Er ist sehr groß, hat helles Haar und blaue Augen. Einen sehr schönen Bart und spricht deutsch mit einem seltsamen Einschlag. Er ist noch nicht lange hier, etwa eine Woche.« Anna war bei diesen Worten feuerrot angelaufen.
»Weißt du, wie viele Reiter es hier gibt?«, sagte die Magd schroff. »Musst mir schon einen Namen nennen, die Namen kenne ich alle von diesem Pack. Ist doch alles Pack, ob Adel oder nicht, alles Pack. So, wie die hier hausen und sich bedienen lassen. Wenn es nur das wäre. Schlagen tun sie einen, wenn man alt ist. Und wenn man jung ist, dann machen sie ganz andere Dinge mit dir. Schau mal da in den stall, da liegt die Tine. Fünfzehn Jahre ist die geworden, die Tochter vom Dorfschmied, hübsches Mädchen. Haben die gestern totgemacht, so besoffen wie die waren, haben ihr puren Alkohol eingeflößt. Das hat sie nicht überlebt.
Ist nur die schuld vom Albert, dem Knecht vom Menke, der macht doch seinen Schnaps selbst und hatte eine riesige Flasche von dem Teufelszeug, unverdünnt, im Keller stehen. Haben das dem armen Ding eingetrichtert, und dann ist sie gestorben. Liegt noch da, ist nicht mal ganz kalt. Paulchen kann gleich mal ein Loch buddeln auf dem Kirchhof. Machst du doch, Paulchen, bist doch ein lieber Junge, oder? Wer soll es sonst machen?«
»Und den Reiter kennt ihr nicht?«, fragte Anna unbeirrt.
»Nein.«
»Ich aber, ich kenne den.« Paulchen schien Bescheid zu wissen. »Das ist doch der, der den Balthasar gerettet hat.«
»Ja, der könnte es sein. Brunnthal heißt der. Auch so eine Geschichte. Die habens ja nicht nur auf die Frauen und Mädchen abgesehen, die Schweine. Auch die kleinen Knaben lassen sie nicht in Ruhe. Da hatte einer von denen so einen kleinen dabei, einen hübschen Kerl von vielleicht dreizehn Jahren. Will dir gar nicht erzählen, was der Junge erdulden musste. Kann-ste dir nicht mal vorstellen, so schlimm war das. Und da war dann mal dieser Neue, dieser Brunnthal, hier und hat ihm den Jungen beim Kartenspiel abgeluchst.
Der ist aber nicht mehr hier, der Brunnthal. Ist schon gestern Abend weg. Hat drüben auf dem anderen Hof gewohnt, beim Richter Rittling. Aber, wie gesagt, der ist auf und davon. Und wo der Junge, der Balthasar, geblieben ist, das weiß ich nicht.«
Anna war verzweifelt. Es schien ganz sicher zu sein, dass sie vom selben Mann sprachen, und wenn er nun fortgeritten war, dann war er nicht mehr aufzufinden, dann waren Liese und Therese verloren. sie versuchte sich ein letztes Mal zu vergewissern.
»Seid ihr sicher, dass er ganz fort ist? Wird er nicht wiederkommen?«
»Habe ihn wegreiten sehen. Bin mir sicher, weil er nämlich noch von dem Lakaien unseres neuen Hausherren ein zweites Pferd gekauft hat. Gestern Nachmittag, ganz schnell. Hat viel zu viel bezahlt. Und dann ist er sofort weg. Hat noch zu dem Josef – das ist der Lakai – gesagt, dass er es eilig habe. Bin mir sicher, der kommt nicht wieder, sonst wär er auch gestern hier gewesen, als die alle gesoffen haben. War sonst immer
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