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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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damit zum Pfarrer gehen, der kann ihr sagen, was darinsteht. Verlier den Brief nicht, du wirst ihn gut aufbewahren müssen. Ihr werdet vielleicht mehr als ein halbes Jahr unterwegs sein.«
    »Ich werde ihn gut aufbewahren.«
    »Gut, dann ist alles gesagt. In dem Karren findest du frisches Wasser und auch sauberes Leinen zum Verbinden der Wunden. Es ist Brot, Käse und Wurst da. Falls der Alte fiebert, gib ihm Branntwein. Geh mit allem sparsam um und beeilt euch, aus dieser Gegend fortzukommen. Kannst du lesen, Anna?«
    »Nicht gut. Eigentlich gar nicht.«
    »Der Junge kann es. Hier ist eine Karte, auf der alle wichtigen Flüsse und Städte eingezeichnet sind. Folge ihr, und ihr werdet euch nicht verirren. Ihr müsst jetzt los.«
    »Wieso tut Ihr das?«, fragte sie benommen.
    Er lächelte. Er lächelte traurig und machte Anstalten, ihr mit dem Handrücken über die Wange zu streichen, doch dann senkte er den Arm schnell wieder.
    »Danke für alles«, sagte Anna nur.
    »Geht jetzt, bevor man euch wieder einfängt.«
    Zu dritt legten sie den vor schmerzen stöhnenden Mergel auf den Karren. sie betteten ihn weich und deckten ihn warm zu.
    »Wenn ihr außer Sichtweite seid, versorgt ihr die Wunden des Alten und gebt ihm zu essen und vor allem auch zu trinken. Du musst ihm die Arme wieder einrenken. Sie scheinen ausgekugelt zu sein. Ich muss jetzt los. Viel Glück, Anna Pippel, wir werden uns irgendwann wiedersehen.«
    Das sagte Annas Retter zum Abschied und sah dabei verlegen aus. Dann bestieg er sein Pferd und ritt zurück ins Lager, um noch am selben Tag zu einem neuen Auftrag aufzubrechen, der ihn ganz in den Norden führen sollte.

XII

    W ie viel Zeit ist vergangen? Hat man lange geschlafen? So viel Blut. Alles ist kaputt. Die Hose ist kaputt. Die gute Hose. Und das Hinterteil ist auch kaputt. Man wird nicht mehr darauf sitzen können, auf seinem Hinterteil. Wie viel Zeit wohl vergangen ist?
    Die Frau ist nicht gerettet. Die Frau ist verloren. Man hat ihr nicht helfen können. Sie ist verloren. Man muss zurück. Man muss sehen, ob man sie noch findet. Man muss sehen, ob sie noch lebt.
    Das Hinterteil schmerzt. Und so viel Blut. Man will gar nicht glauben, dass es so bluten kann. Ganz allein muss man die Kugel da herausholen. Muss sie herausholen, bevor alles faulig wird.
    Man braucht keinen Feldscher, kann es alleine, kann es ganz alleine. Kann es besser als die Quacksalber. Weiß besser, was zu tun ist, damit das Fieber nicht kommt.
    Wenn es nur nicht so schmerzen würde.
    Und das Hündchen? Ist es noch in seinem Versteck? Erst die Bleikugel aus dem Hinterteil holen, dann das Hündchen suchen und dann die Frau retten.
    Man muss sich beeilen, nicht dass sie sie verbrennen. Die Frau darf nicht brennen, das tut weh, viel mehr weh als alles andere. Sie soll nicht verbrennen wie die liebe Mama. Wie die liebe Mama und all die anderen schlafenden Leute einfach gebrannt haben. Man muss die Frau retten, so wie man selbst gerettet wurde.
    Hofentlich kann man laufen. Man muss es versuchen.
    Sie befanden sich irgendwo in der Nähe der Stadt Bielefeld. Es war eine katholische Gegend, das konnte Anna an den Kirchen und den Friedhöfen erkennen. Doch von Flüssen und Himmelsrichtungen hatte sie nicht die leiseste Ahnung. Am Tage ihrer Abreise mit dem armen, fast besinnungslosen Mergel auf dem Karren und dem fremden Jungen an ihrer Seite wusste sie nicht genau, in welche Richtung sie nun gehen musste, um den von ihrem Wohltäter geplanten Weg einzuschlagen. Sie beschloss, die Straße, auf der sie sich befanden, weiterzuziehen, soweit sie ihre Füße tragen würden, um dann hoffentlich am Ende des Tages zwei Meilen weit vom Lager entfernt zu sein.
    Nun hatte sie einen Auftrag, und dieser Auftrag gab ihr neuen Mut. Sie sollte ein armes, entführtes Kind zurück in den Schoß seiner Familie bringen. Das war ihre Berufung. An das gelobte Land Bayern jedoch konnte sie noch nicht glauben. Erst einmal hieß Heidelberg das Ziel.
    Gegen Abend hatten sie eine Anhöhe erreicht. Sie erklommen den kleinen Hügel, um von dort aus das Lager sehen zu können. Anna wollte sich einen Überblick verschaffen und sichergehen, dass sie wirklich weit genug entfernt waren. Auf dem Gipfel dieses kleinen Berges befand sich eine flache Ebene, die von einem Birkenhain umgeben war. Hier war ein guter Platz zum Rasten. Die Bäume standen so dicht, dass sie es sogar wagte, ein kleines Feuer zu machen. Zwar war das Laub längst zu Boden gefallen, aber dennoch

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