Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
verlässlicher Routenkenner war.
    »Weißt du, Anna, ich bin alt. Und wenn man so alt ist wie ich, dann hat man so viel erlebt, dass es sehr leicht ist, eins und eins zusammenzuzählen. Außerdem halte ich Ohren und Augen auf, und da bekommt man eine Menge mit.«
    »Auskennen tust du dich wirklich, oder?«
    »Wie gesagt, ich halte meine Ohren auf und auch meine Augen, Anna. Würde jeden Stein wiederfinden, an dem ich schon einmal vorbeimarschiert bin. Jetzt lass mich wieder gesund werden, und dann wirst du sehen, wie schnell wir in Heidelberg sind. Das verspreche ich dir und auch dem Knaben. Will wohl gar nicht anfangen zu reden, der Balthasar.«
    »Wir müssen ihm noch etwas Zeit geben.«
    Anna war froh, dass Hans Mergel ihr geblieben war. Nicht nur, weil sie ihn brauchte, um den richtigen Weg zu finden, sondern weil sie ihn mochte und ihr der kauzige Alte sehr am Herzen lag. Ihn sterben zu sehen, hätte ihr noch mehr schmerzen bereitet, als die starke Liese in den Tod gehen zu wissen. Sie wollte sein verschmitztes, faltiges Lachen und seine gütigen blauen Augen noch so lang wie möglich, Tag für Tag, sehen können. Das wünschte sie sich, und deshalb war es ihr wichtig, dass er vollkommen gesundete.
    Am Nachmittag des dritten Tages konnten die drei von Ferne eine Windmühle sehen, ein nicht ungewöhnlicher Anblick in diesem sehr flachen und zugigen Teil Deutschlands. Ungewöhnlich war nur, dass sich an einem ihrer drehenden Flügel aus der Distanz ein nicht zu definierender Gegenstand befand. Dort hing ein Sack oder etwas Ähnliches, und da es an diesem Tag sehr windig, ja fast schon stürmisch war, drehte sich das
    Gebilde zusammen mit den Flügeln in einer fast schon holzberstenden Geschwindigkeit.
    »Was ist denn da los?«
    »scheint ein Mehlsack zu sein.«
    »Kannst du das sehen, Anna? Du hast bessere Augen, da laufen doch welche weg, oder?«
    »Ja, da sind vier, fünf Gestalten mit Pferden. Die stehlen da offensichtlich das Mehl.«
    »Ah, ja. Lass uns einen Bogen machen, das sind irgendwelche Schnapphähne, die auf der Gard gehen.«
    »Auf der Gard gehen?«
    »soldaten, die keine Anstellung haben. Kennst du doch, Anna, bist doch jetzt schon einige Zeit dabei.«
    Anna nickte nur. Nach einer Weile fragte sie den alten Mergel: »Jetzt, wo die alle weg sind, könnten wir doch dort Quartier machen, in der Mühle. Ist ja jetzt niemand mehr da, und wenn die alles mitgenommen haben, kommen sie auch nicht wieder.«
    »Du bist schon so gewieft wie die Liese. Anna, du erstaunst mich. Wir können es mal versuchen.«
    Und so brach das Gespann seinen Umweg ab und machte sich direkt auf in Richtung der sich noch immer wild drehenden Mühle.
    »Das ist tatsächlich ein Mehlsack, aber da scheint kein Mehl drin zu sein«, meinte Mergel, als sie an ihrem Tagesziel angekommen waren. »Ihr müsst die Seile losbinden und euch mit aller Kraft gegen die Stange dort werfen. Das ganze Dinge muss gedreht werden, und zwar so, dass der Wind keine Angriffsfläche mehr hat.«
    Anna und Balthasar gehorchten den Befehlen des weisen Mergel, und tatsächlich brachten sie nach kurzer Zeit die Mühle zum Stehen. Der an einem der Flügel befestigte Sack schwebte nur noch wenige Fingerbreit über dem Boden, sodass der Junge ihn abschneiden konnte.
    Anna fühlte zunächst von außen, was sich dort im Innern des Sackes befinden könnte, und sie kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Körper handelte. Tot oder lebendig, Mensch oder Tier, das war nicht festzustellen. Bewegen tat sich das Ding jedenfalls nicht.
    Ungewöhnlich forsch machte sie sich daran, das grobe Leinen zu zerschneiden. Hans Mergel schaute vom Wagen aus zu, und Balthasar stand unerschrocken neben ihr.
    Sobald der sack geöffnet war, kugelte die wohlbeleibte Gestalt eines Mannes mittleren Alters hinaus. Er war mehr als nur benommen, aber bei Bewusstsein. Der ihn plagende Drehwurm musste unvorstellbar groß sein, denn der Arme wollte gar nicht mehr damit aufhören, sich zu übergeben. Es kam schon längst nichts mehr heraus, und dennoch würgte er minutenlang weiter. Danach dauerte es noch eine ganze Weile, bis er wieder bei sich war und sitzen konnte, ohne immer wieder zur Seite, nach vorn und nach hinten zu kippen. Schließlich gelang es ihm zu sprechen, und er stellte sich als der Müller vor, was die drei nicht verwunderte, da sie genau dieses bereits angenommen hatten.
    »Lumpenpack, Bernheuter, lose Vögel, Schelmendiebsgesindel! Es reicht nicht, dass sie mich bestehlen,

Weitere Kostenlose Bücher