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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Folterungen, denen der arme Mann ausgesetzt gewesen war? Hatte er etwa seinen Glauben verloren?
    Anna lächelte ihn an und sagte nur: »Mach, was du willst. Solange es niemand sieht, soll es zu deinem Schaden nicht sein.« Und als sie dann wieder nach oben in die Mühle ging, musste sie sich eingestehen, dass auch sie in den letzten Tagen nur selten gebetet hatte. Doch vielleicht würde sich das bald wieder ändern, bald, wenn die ganzen teuflischen Ereignisse weit hinter ihnen lägen. Wenn Zeit und Raum sie von all dem trennten.
    So ein Glück, so ein großes Glück. Man hat es nicht geglaubt, aber es ist wahr. Die Frau lebt, und man hat sie gefunden.
    Es war nicht schwer, sie zu finden. Man hat sie gesehen, hat sie gesehen, als sie herumgelaufen ist. War verkleidet, die Frau, aber man hat sie erkannt. Würde sie immer erkennen.
    Es war auch nicht schwer, sie zu verfolgen. Gar nicht schwer. Trotz des kranken Hinterteils war es nicht schwer. sind sehr langsam, die Frau und die anderen beiden. Sehr langsam.
    Jetzt hat man sie gefunden und kann sie eine Weile beobachten. Aber ändern kann man nichts. Es ist passiert, und das wird nicht vergessen werden.Sie war zu nah, sie war zu nah. Man hat es gewusst. Jetzt ist es passiert. Darum kann man nur abwarten.
    Man wird sie beschützen. Nur soweit es geht, wird man sie beschützen. Vor dem Müllersmann hat man sie beschützt. sitzt in seinem Loch und kommt nicht raus. Bleibt da, bis andere ihn finden. Wollte doch ins Dorf laufen und Hilfe holen. Wollte doch zurückkommen und die Frau verjagen. Das geht nicht. Jetzt sitzt er in der Grube und muss warten.
    Vor solchen kann man die Frau beschützen, vor jenem jedoch nicht. Es ist passiert, es wird geschehen. Das weiß man. Das weiß man, leider.

XIV

    Nach nicht ganz einer Woche erreichten sie die Stadt Paderborn. Im Vergleich zu dem zertrampelten und zerschundenen Umland blühte hier das Leben. Auch dieses Bollwerk des katholischen Glaubens war seit Beginn des großen Krieges immer wieder von Truppen heimgesucht und geplündert worden. Doch im Gegensatz zu den Dörfern erholten sich die Städte, zumindest die meisten, ausnehmend schnell, denn sie waren der optimale Ort für umherziehende Soldaten, ihre auf dem Lande erworbenen »Waren« gegen Geld oder Alkohol einzutauschen. Auf den Märkten der städte verkauften die Söldner und ihre Weiber das Vieh, die Bettwäsche, den Hausrat und sonstiges Gut, welches sie auf dem Lande mehr als kostengünstig erworben hatten. Und die Städter machten dabei ein gutes Geschäft, hatte doch das Heeresvolk keine Vorstellung, wie viel ein Rind, eine Ziege oder eine Gans wert war. Ja, es kam mitunter vor, dass ein bestohlener Bauer in die Stadt ging und dort sein Vieh vom Dieb zurückkaufte.
    Anna war noch niemals in einer solch großen Stadt gewesen. Es verschlug ihr fast den Atem, als sie inmitten dieser neuen, prächtigen Bürgerhäuser stand und auf die sich weit in den Himmel erstreckenden Türme des Domes blickte. Als Kind durfte sie zwei- oder dreimal mit nach Höxter gehen, und selbst diese kleine stadt hatte sie beeindruckt. Doch während dort die Häuser aus Fachwerk waren, so wie sie auch – kleiner und schlichter – in den Dörfern gebaut wurden, stand Anna nun riesigen, über mehr als vier Stockwerke reichenden Giebelbauten aus Stein gegenüber.
    »Bist wohl zum ersten Mal in einer Stadt?«, bemerkte Hans Mergel, der sich mittlerweile an Krücken fortbewegen konnte. Der Alte wirkte ausgesprochen gelassen, war er doch viel gereist und hatte bereits ganz andere städte wie Prag, Wien, Heidelberg oder Magdeburg in Augenschein nehmen können. Paderborn war dagegen ein winziges Bauernnest. Allerdings, und das erkannte Mergel sogleich, schienen die Menschen hier nicht gerade begeistert, einen weiteren Karren mit Flüchtlingen aus dem Umland in ihren Mauern begrüßen zu müssen.
    Es war schon schwierig genug gewesen, überhaupt Einlass zu erhalten. Freiwillig war dieser vom Torwächter nicht gewährt worden. Die drei hatten sich von einem Bettelweib im Tausch gegen zwei harte Fladen ein Schlupfloch zeigen lassen.
    Paderborn, diese kaisertreue Stadt, in der das Restitutionsedikt begrüßt, der Messgang der Einwohner überwacht und aus der die Evangelischen vor Jahren vertrieben worden waren, hatte genug von den nicht abreißenden Strömen ausgebrannter Bauern, die sich in den engen Straßen und auf den Plätzen der Stadt als Bettler verdingten. Und da jetzt Frieden war, kamen auch

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