Des Teufels Werk
Maß der gegen den Eindringling eingesetzten Gewalt muss ›vertretbar‹ sein, und Vorsatz jedweder Art – etwa Fallenstellen, weitergehende Strafmaßnahmen gegen eine bereits außer Gefecht gesetzte Person sowie Verfolgung aus Rachsucht – erfüllt den Tatbestand einer Straftat. Schlicht gesagt, man durfte eine Meute Mastiffs dazu einsetzen, einen Einbrecher zu stellen, aber nicht, ihm die Kehle zu zerfleischen; selbstfabrizierte Nagelbretter zum Zweck der Verletzung oder Verstümmelung im Haus zu verteilen, war strafbar; ebenso der Gebrauch einer Axt gegen einen Eindringling, der bereits bezwungen war.
Am meisten beschäftigte Bagley die Frage, warum ich ins Haus zurückgelaufen war, wo es doch am naheliegendsten gewesen wäre, das zu tun, was ich ursprünglich geplant hatte, nämlich zur nächsten Anhöhe hinaufzusteigen, um von dort aus die Polizei anzurufen. Das Wort ›Rache‹ hing wie eine übel riechende Wolke über meinem Kopf. Ich hatte gewusst, dass Peter lebte, weil ich ihn von draußen durch das Fenster gesehen hatte, und nichts hatte mir zu dem Zeitpunkt verraten, dass Jess im Zimmer war, geschweige denn in Schwierigkeiten. Tatsächlich hatte ich in dem Moment, als ich umgekehrt war, keinen Anlass gehabt zu glauben, sie würden bedroht, zumal ich eingeräumt hatte, dass mir das Klebeband über Peters Mund nicht aufgefallen war.
»Dieses Gesetz ist ja lächerlich«, sagte ich empört. »In Simbabwe haben wir gelernt, dass für einen Engländer sein Zuhause seine Festung ist.«
Der Inspector war von meinem Rückgriff auf koloniale Gepflogenheiten nicht beeindruckt. »So ist es auch«, bestätigte er, »und er darf es verteidigen, solange er nicht ein unverhältnismäßiges Maß an Gewalt ausübt.«
»Das ist doch für jeden Einbrecher eine Einladung, sich schleunigst den Kopf an der Wand blutig zu schlagen, wenn er geschnappt wird«, sagte ich ärgerlich. »Auf die Weise wird immer etwas für ihn herausspringen. Er muss vielleicht auf die Stereoanlage verzichten, aber er kann ja jederzeit auf Schmerzensgeld wegen unverhältnismäßiger Gewaltanwendung klagen.«
»Sie lesen offensichtlich Zeitung.«
»Ich bin Journalistin.«
»Hm. Ich stimme Ihnen ja zu, Ms. Burns, aber so will es nun einmal das Gesetz …und es ist meine Pflicht, es durchzusetzen. Also, warum haben Sie die Axt wieder hervorgeholt?«
»Weil ich Blut auf dem Boden sah.«
Mengen von Blut. Es sah aus wie in einem Kriegsgebiet. Wer auch immer der Verletzte war, er verströmte es literweise über den Boden. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass es MacKenzie sein könnte. So entgegenkommend war das Schicksal nie. Ich wusste sofort, dass es einer von Jess' Hunden war, dass MacKenzies Schnappmesser eine Arterie getroffen hatte. Ich weiß nicht, was in meinem Kopf vorging, als ich die Axt packte. Vielleicht wollte ich tatsächlich Rache üben. Ich erinnere mich jedenfalls, dass ich dachte, wie unglaublich ungerecht es sei.
»Sie reden mit mir, als wüsste ich, wie Hunde sich verhalten«, sagte ich zu Bagley. »Aber ich weiß es eben nicht. Ich bin ihnen jahrelang aus dem Weg gegangen, weil überall dort, wo ich unterwegs bin, die Tollwut herrscht. Es ist eine völlig andere Welt. In heißen Gegenden lernt man, mit Tieren vorsichtig zu sein. Sie drehen bei Hitze genauso leicht durch wie Menschen.«
»Sie haben Blut gesehen«, hakte er geduldig nach.
»Ich dachte, sie würden vielleicht wie Haie reagieren – mit einem Blutrausch bei dem Geruch.«
Er sah mich skeptisch an. »Sie dachten, sie würden MacKenzie fressen?«
»Zerreißen«, korrigierte ich ihn. »So wie Jagdhunde Füchse zerreißen.«
»Da haben Sie also die Axt genommen, um ihn zu beschützen?«
»Und mich selbst auch. Es spielte sich ja alles nur ein paar Schritte von mir entfernt ab.«
»Wussten Sie, dass da einer der Hunde im Sterben lag?«
»Ja, ich habe gesehen, wie Bertie zusammenbrach.«
Wieder blickte er in seine Unterlagen. »Erinnern Sie sich, was Sie als Nächstes taten?«
»Nicht genau. Ich konnte nur daran denken, dass ich versuchen musste, den Kampf irgendwie zu stoppen.«
»Sie hatten also vor, die Axt gegen die Mastiffs einzusetzen?«
»Ich hatte gar nichts vor. Ich wusste nur, dass ich etwas unternehmen musste.«
Einen Moment lang sah er mir forschend in die Augen, dann wandte er sich wieder seinen Unterlagen zu. »Dr. Coleman zufolge haben Sie ›Mistkerl‹ geschrien, die Hunde zurückgerufen und dann MacKenzie mit der Axt auf die rechte
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