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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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verwandt.«
    Ein kaum wahrnehmbares Zögern. »Dann stand es ihr auch nicht zu, auf Mamis Einweisung zu drängen. Warum musste das so schnell gehen? Was wollte Jess verheimlichen?«
    »Peter hat mir erzählt, der Sozialdienst habe die Einweisung verfügt, vorübergehend jedenfalls. Man wollte kein Risiko eingehen, solange man Sie oder den Anwalt nicht erreicht hatte. Jess hatte damit nichts zu tun – sie hat den Leuten lediglich Ihre Telefonnummer und den Namen des Anwalts gegeben.«
    »Behauptet Jess. Das heißt noch lange nicht, dass es stimmt. Sie sollten sich einmal fragen, warum Mami so plötzlich zum Schweigen gebracht werden musste – und warum Jess nichts Eiligeres zu tun hatte, als alle anderen zu beschuldigen, sie vernachlässigt zu haben. Wenn das nicht ein Versuch ist, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dann würde ich gern wissen, was sonst.«
    Man braucht eine Lüge nur oft genug zu wiederholen, dann fangen die Leute an, sie zu glauben – das ist eine Binsenwahrheit, an die sich Tyrannen und PR-Leute in der Politik halten –, aber von allen Lügen, die Madeleine über die Lippen kamen, war die gemeinste ihr ständiger Gebrauch des Wortes ›Mami‹. Sie vermittelte damit ein Bild unschuldiger Liebe, die es gar nicht gab, und ich konnte nicht fassen, wie viele Leute darauf hereinfielen. Die meisten von denen, in deren Augen Jess krank war, weil sie die Bilder ihrer toten Eltern und Geschwister an den Wänden hängen hatte, kamen gar nicht auf die Idee, darüber nachzudenken, wie es um Madeleines Beziehung zu Lily stand.
    »Aber Lily wurde ja wirklich vernachlässigt, Madeleine. Soweit ich verstanden habe, lebte sie hier sieben Wochen lang unter den erschreckendsten Verhältnissen, bis Jess sie halb tot am Fischweiher fand. Peter war verreist – das Sicherheitsnetz über den Arzt funktionierte nicht – die Nachbarn scherten sich nicht um sie – und Sie selbst hielten sich so weit wie möglich fern.« Ich nahm mir eine zweite Zigarette und rollte sie zwischen den Fingern. »Oder behaupten das jedenfalls.«
    »Was soll das heißen?«, fragte sie scharf.
    »Es fällt mir einfach schwer zu glauben, dass Sie sich über die Vorgänge hier nicht auf dem Laufenden gehalten haben.« Ich steckte mir die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. »Standen Sie und Lily einander denn nicht nahe? Sie nennen sie immer ›Mami‹. Die einzige Frau mittleren Alters, von der ich weiß, dass sie das auch tut, telefoniert täglich mit ihrer Mutter und besucht sie mindestens einmal in der Woche.«
    Sie kniff die Augen zu hässlichen Schlitzen zusammen, als sie sich als ›Frau mittleren Alters‹ bezeichnet hörte, versagte sich jedoch einen Kommentar. »Ich habe natürlich mit ihr telefoniert. Sie sagte, es sei alles in Ordnung. Heute weiß ich, dass das nicht stimmte, aber damals hatte ich keine Ahnung.«
    Ich lächelte skeptisch. »Aber bedrückt Sie das denn nicht? Es wäre mir schrecklich, wenn meine Mutter mir nicht sagen würde, dass sie Probleme hat. Wenn sie kein Vertrauen zu mir hätte. Ich kann mit einiger Mühe verstehen, dass sie keine Fremden um Hilfe bitten wollte – obwohl sie das ja offenbar versucht hat, indem sie ins Dorf hinunterging. Aber ihre eigene
Tochter?
Ich meine, das Normale wäre doch gewesen, dass sie sofort bei Ihnen angerufen hätte, als kein Wasser da war?«
    »Die Fragen sollten Sie Jess stellen. Sie war immer die Erste, die Mami anrief, wenn etwas nicht funktionierte. Warum hat
sie
nichts unternommen?«
    »Und wer war der Zweite?«
    Madeleine runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
    »Wen hat Ihre Mutter angerufen, wenn Jess nicht erreichbar war? Sie?«
    »Ich war zu weit weg.«
    »Also ist jedes Mal Jess eingesprungen. Wie lange ging das so? Zwölf Jahre? Und vorher war es ihr Vater? Sind die beiden je dafür bezahlt worden?«
    »Es ging nie um Bezahlung. Sie haben es aus freien Stücken getan.«
    »Wieso? Weil sie Lily so gern hatten?«
    »Ich habe keine Ahnung, welche Gründe sie hatten. Ich fand es eigentlich immer ziemlich traurig – als könnten sie die Klassenschranke nicht überspringen. Vielleicht meinten sie, sie müssten es Jess' Großmutter nachtun und dem Herrenhaus als Bedienstete zur Verfügung stehen.«
    Ich lachte. »Waren Sie schon mal auf dem Barton-Hof, Madeleine? Das Haus ist kaum kleiner als dieses hier, aber es ist in wesentlich besserem Zustand. Grob geschätzt ist Jess' Besitz mitsamt dem Grund und Boden, der dazu gehört, vielleicht zwei- oder

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