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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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weißt du was, Kind, letzten Endes war sie die beste Freundin, die wir hatten. Die Barretts und die Fortescues – Leute, mit denen wir aufgewachsen waren – haben uns geschnitten, als man deinem Vater vorwarf, er habe aus Gewinnsucht unlautere Geschäfte gemacht, aber Geraldine und Reggie kamen sofort herüber und haben die ganze Belagerung hindurch bei uns ausgehalten. Das war sehr mutig von ihnen.«
    Ich war zur Zeit dieser Ereignisse nicht in Simbabwe gewesen, hatte jedoch per Telefon engen Kontakt mit meinen Eltern gehalten. Die Sache ereignete sich in der ersten Zeit von Mugabes Vorstoß zur Vertreibung der weißen Farmer. Ein örtlicher Zanu-PF-Funktionär beschuldigte meinen Vater, ein Steuerbetrüger und Profitmacher zu sein. Die Vorwürfe waren völlig aus der Luft gegriffen, und der Mann hatte vor Gericht keine Chance, weil mein Vater akribisch Buch führte, aber sie reichten aus, Mugabes Kriegsveteranen in Rage zu bringen. Eine Woche lang kampierten mehr als fünfzig von ihnen auf unserem Rasen und drohten, das Haus zu stürmen. Nur weil die Arbeiter meines Vaters so mutig waren, vor dem Haus Dauerwache zu beziehen, wurde die Belagerung schließlich aufgegeben.
    Dieser Zwischenfall war der Grund dafür, dass meine Mutter darauf gedrungen hatte, das Land zu verlassen. Sie wusste, dass der Druck das nächste Mal verstärkt werden würde, und sie wollte den Arbeitern nicht noch einmal zumuten, für sie in die Bresche zu springen. Schwarze, die für ihre weißen Arbeitgeber eintraten, waren in den Augen der Zanu-PF Verräter, und meine Mutter wollte niemanden wegen ein paar Morgen Land sterben sehen. Sie und mein Vater trugen es den Barretts und Fortescues nicht nach, dass diese ihnen nicht geholfen hatten – »sie hatten eben Angst« –, und kamen ihnen sofort zu Hilfe, als ihre Farmen besetzt wurden. Insgeheim jedoch hat sie ihnen nie verziehen, und die lebenslange Freundschaft mit ihnen endete mit der Abreise meiner Eltern nach England.
    »Und wie lautet die Moral von der Geschichte?«, erkundigte ich mich mit einem Lächeln. »Der Schein trügt?«
    »Etwas in der Art, ja.«
    »Und wenn Jess mit einem Fleischermesser ankommt?«
    »Man sollte deinen Freund, diesen Arzt, wegen Fahrlässigkeit anzeigen«, sagte meine Mutter trocken. »Er hätte dich nicht mit einer gefährlichen Patientin allein lassen dürfen.«

    Ich hätte natürlich bei Peter nachfragen können, aber ich sah irgendwie wenig Sinn darin. Ich fand die Überlegungen meiner Mutter völlig richtig. Wir entscheiden im Leben ebenso oft,
wem
wir glauben wollen, wie
was
wir glauben wollen, und ich hatte keinen Grund anzunehmen, Peter wolle mir eine gefährliche Irre auf den Hals hetzen. In Madeleines Fall war ich mir nicht so sicher, wem oder was ich glauben sollte. Es bestand kein Zweifel, dass sie und Jess einander hassten, und der alte Spruch, ›die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge‹, passte auf beide. Wenn ich Jess glaubte, hatte Madeleine ihre Mutter absichtlich vernachlässigt und ihren Tod billigend in Kauf genommen; wenn ich Madeleine glaubte, war Jess ein ›Stalker‹, jemand, der sich auf einen bestimmten Menschen fixierte und diesen permanent verfolgte.
    Wahrscheinlich enthielten beide Geschichten ein Körnchen Wahrheit – Madeleine hatte Lily nicht oft genug besucht und Jess hatte sie zu oft besucht, was vermuten ließ, dass Eifersucht den beiderseitigen Hass befördert hatte. Allerdings erfuhr ich gerade am eigenen Leib, wie schnell Gerüchte für bare Münze genommen wurden. Dan Frys letzter E-Mail zufolge ließ selbst Adelina jetzt den Verdacht anklingen, dass meine Entführung Schwindel gewesen sei. In einem Interview mit einer italienischen Zeitschrift hatte sie angeblich gesagt: »Natürlich lässt sich Geld damit verdienen, wenn man vorgibt, das Opfer einer Geiselnahme gewesen zu sein – die Öffentlichkeit liebt ja Horrorgeschichten –, aber es verhöhnt die wahren Opfer.«
    Ich habe keine Ahnung, ob sie von mir sprach – es gab da einen amerikanischen Deserteur, der seine Entführung vorgetäuscht hatte, bevor er in den Libanon geflohen war –, ihre Worte wurden jedoch allgemein auf mich bezogen. Dan berichtete mir, dass vier der aktivsten und bekanntesten Terrorgruppen bestritten hatten, an meiner Entführung beteiligt gewesen zu sein, und dass die arabischen Zeitungen von Berichten voll waren, in denen behauptet wurde, eine ausländische Korrespondentin habe damit Geld machen wollen, dass sie sich als Opfer

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