Des Teufels Werk
einer Geiselnahme ausgab. Zum Glück griff die westliche Presse das nicht auf – entweder weil man Angst vor einer Verleumdungsklage hatte oder weil man wusste, dass meine Geschichte nie erschienen war –, es bestärkte mich allerdings in meinem Widerstreben, meinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Und es machte mich Adelina gegenüber misstrauisch. Ich wusste, dass man ihre Worte wahrscheinlich umformuliert hatte, um sie der allgemeinen Tendenz des Artikels anzupassen, aber ich fragte mich doch, ob sie vielleicht gar nicht so Schreckliches durchgemacht hatte, wenn sie in der Lage war, Interviews zu geben.
Als ich schließlich zu Jess fuhr, um mit ihr zu reden, sagte sie, sie merke es immer sofort, wenn Madeleine ihr Gift verspritzt habe. Ganz gleich, wen es treffe, selbst die vernünftigsten Leute lächelten danach nie wieder so unbefangen wie vorher. Ich hätte mich mehr bemüht als die meisten anderen, sagte sie, aber mein Interesse an ihren Handgelenken sei etwas zu auffällig gewesen. Sie habe verstanden und sich deshalb zurückgezogen. Es gebe Dinge im Leben, die sie nicht für der Mühe wert halte, zum Beispiel, Fremde davon zu überzeugen, dass sie nicht mit dem Messer auf sie losgehen wolle.
Die Erklärung war interessant, da ich ihr nicht gesagt hatte, dass ich mit Madeleine gesprochen hatte. War Madeleine so überzeugend, dass alle gleich reagierten? Wenn ja, dann war das beängstigend. Als ich Jess fragte, warum sie Halbwahrheiten stehen lasse, anstatt sich gegen sie zur Wehr zu setzen, meinte sie nur: »Wozu? Die Leute glauben, was sie glauben wollen, und ich werde nicht vorgeben, etwas zu sein, was ich nicht bin, nur um ihnen zu beweisen, dass sie falsch liegen.«
Ich konnte ihr nicht folgen. »Wie meinen Sie das?«
»Ich verachte sie«, sagte sie trocken, »und ich müsste mich verstellen, wenn ich etwas ändern wollte.«
»Wenn Sie sie näher kennen lernten, würden Sie vielleicht anders über die Leute hier denken.«
»Wozu? Es ändert nichts an der Tatsache, dass sie Madeleine geglaubt haben.«
Wir führten dieses Gespräch in ihrer Küche, nachdem ich trotz meiner Angst vor den Hunden zu ihr hinausgefahren war. Eine andere Möglichkeit hatte es nicht gegeben, denn auf die telefonischen Nachrichten, die ich ihr hinterlassen hatte, hatte sie sich nicht gerührt. Nachdem ich den knapp einen Kilometer langen Feldweg zur Farm hinaufgezuckelt war, hielt ich in der Mitte des Hofs an, um mich nach der Haustür umzusehen. Ich hatte mein Fenster offen, es war ausnahmsweise ein schöner Tag in diesem sonst so regnerischen Monat, und hörte das wütende Gekläff, sobald ich den Motor ausschaltete. Die Hunde mussten irgendwo draußen sein. Nervös schaute ich mich um.
Das Haus war vom Hof durch eine Buchenhecke getrennt, die das Erdgeschoss abschirmte, ein Lücke, die ein Eingang hätte sein können, war nirgends zu sehen. Zu meiner Linken befand sich eine Scheune, und rechts von mir folgte der Weg dem Verlauf der Hecke um eine scharfe Ecke am hinteren Ende des Hauses. Die stöbernden Hunde, die ich durch das Laub hindurch hinter der Hecke erkennen konnte, hielten mich davon ab, aus dem Auto zu steigen und mich umzuschauen. Während ich noch überlegte, was ich tun sollte, hörte ich das Brummen eines starken Motors, und gleich darauf donnerte ein Traktor mit einer Heuballenpresse im Schlepptau um die Ecke.
Ich sah flüchtig Jess' brummiges Gesicht. Sie zog mit einem Schlenker an mir vorbei und fuhr direkt in die Scheune hinein. Eine halbe Sekunde später kam sie rückwärts wieder herausgeschossen und verfehlte das Heck meines Wagens um Haaresbreite, als die Heuballenpresse mit Schwung ausscherte. Sie wendete sauber und manövrierte den Schlepper haarscharf an meinem Seitenspiegel vorbei, bevor sie ihn samt Anhänger rückwärts wieder in die Scheune hineinlenkte. An diesem Tag war sie wohl nicht darauf aus, jemandem den Weg zu versperren, aber ich machte sicher ein ängstliches Gesicht, als da eine tonnenschwere Fuhre meinen Mini platt zu walzen drohte.
Sie schaltete den Motor aus, sprang herunter und ermahnte die Hunde mit einem schrillen Pfiff, Ruhe zu geben. »Sie stehen hier im Weg«, sagte sie zu mir. »Parken Sie das nächste Mal an der Hecke oben.«
Ich machte meine Tür auf. »Tut mir Leid.«
»Keine Angst«, sagte sie kurz. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu rammen.«
»Das weiß ich.«
Sie verschränkte die Arme. »Wollten Sie etwas von mir?«
»Nein. Ich dachte nur, ich – ich
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