Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
nachzuspüren, sonst hätten die Belagerung und die Anrufe längst begonnen.« Er machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Sie verstehen, was ich sagen will? Wenn jemand glaubte, Sie hätten noch etwas in der Hinterhand, hätte man Sie längst unter Druck gesetzt – aber das ist nicht geschehen. Es ist also ganz allein Ihre Entscheidung, was Sie aufdecken wollen, ob Sie überhaupt etwas aufdecken wollen. Niemand zwingt Sie.«
    Ich fand sein Psychogequatsche zum Kotzen. Das hatte ich von meinem Vater. Ich konnte Gönnerhaftigkeit einfach nicht mit Fassung über mich ergehen lassen. Hatte Peter einen höheren IQ als ich? War er gebildeter? Belesener? So arrogant in seiner Überzeugung von der eigenen Weisheit, dass er mir den Durchblick nicht zutraute und meinte, mich belehren zu müssen? Na
türlich
wusste ich, dass ich allein über meine Geschichte verfügen konnte. Was glaubte er denn, was ich die letzten drei Monate anderes getan hatte als dafür zu sorgen, verdammt noch mal, dass kein anderer Zugriff auf sie hatte?
    Wenn mir etwas zu schaffen machte, dann war es Peters allzu zutreffende Beobachtung, dass MacKenzie mich beherrschte. Durch ein Video. Ich hätte mit dem Mut einer Löwin kämpfen können, wenn mein Wort gegen das eines gemeinen Vergewaltigers gestanden hätte. Ich hätte die tollsten Geschichten erzählen können. Dass ich geschrien, mich gewehrt, mein Einverständnis verweigert, um mein Leben gekämpft hätte. Ich hätte Würde vortäuschen können. Wer hätte MacKenzie ohne Bilder geglaubt?
    Ich.
    »Neulich haben sie im Fernsehen einen Clip aus Adelinas Video gezeigt«, sagte ich zu Peter. »Sie verwendeten eine Großaufnahme ihres Gesichts – mit den blauen Flecken –, um zu zeigen, was einer Koreanerin blühen wird, die vor kurzem entführt wurde. Ich kenne Adelina ziemlich gut. Sie ist keine eins sechzig groß, aber sie sah so – so unbezwingbar aus. Wie hat sie das gemacht?«
    »Gar nicht«, entgegnete Peter schroff. »Ich habe diese Aufnahme auch gesehen, und ich habe eine zu Tode geängstigte Frau gesehen. Sie stülpen dem Bild etwas aus Ihrer Fantasie über, das nicht vorhanden war. Adelina hatte offensichtlich Angst und mit Recht. Sie hatte keine Ahnung, was als Nächstes geschehen würde, und das spiegelte sich in ihrem Gesicht.« Er beugte sich vor. »Warum sollten Geiselnehmer ein Video an die Öffentlichkeit lassen, das ein unbezwingbares Opfer zeigt, Connie? Bilder sind Propaganda, und Terroristen wollen nur Angst und Schrecken abbilden.«
    »Heute macht sie Scherze darüber.«
    »Weil sie das kann. Keine ihrer schlimmsten Befürchtungen ist wahr geworden. Und ein blaues Auge ist ein sichtbares Ehrenzeichen. Es beweist, dass man einiges ertragen hat.« Er drückte seine Zeigefinger an den Spitzen zusammen und zeigte mit ihnen auf mich. »Überlegen Sie doch mal, wie viel einfacher es für Sie gewesen wäre, wenn Sie mit blauen Flecken zurückgekommen wären. Sie hätten vielleicht nicht darüber reden wollen – aber jeder hätte es bemerkt. Die Polizei hätte darauf bestanden, sie im Bild festzuhalten, und dieser Beweis wäre sehr eindringlich gewesen.«
    Ich verschränkte die Arme und drückte die Hände fest in die Achselhöhlen, um nicht nach ihm zu schlagen. Wieso musste er dauernd auf dem Offensichtlichen herumreiten? Wieso dauernd unterstellen, ich wäre zu blöd, um von allein auf diese Dinge zu kommen? Ich fand ihn unerträglich in seiner Selbstgefälligkeit, fürchtete aber, wenn ich gereizt reagierte, würde ich nur ein selbstzufriedenes »Ich hab's Ihnen ja gesagt« ernten. Die Schreie in meinem Kopf galten alle meinen Unterlassungen.
    »Sagen Sie es«, ermunterte Peter mich.
    »Was?«
    »Was Sie gerade denken.«
    »Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie die Sprache manipuliert wird. ›Kollateralschaden‹ für zivile Opfer, ›Entsetzen und Ehrfurcht‹ für massive Bombardierungen, ›Koalition der Willigen‹, ›chirurgische Kriegsführung‹ –
das
ist Propaganda. Da wird die Wahrheit verdreht. Wissen Sie, dass die Redakteure aus ›irakischen Widerstandskämpfern‹ in meinen Berichten jedes Mal ›Rebellen‹ machten. Die Wörter sind etwa gleichbedeutend, aber ›Widerstand‹ hat eine positive Konnotation. Bei dem Wort denken die Leute an die französische Résistance, und genau diese Verbindung wollte man nicht.« Ich schwieg.
    »Weiter.«
    »Wörter haben keine Bedeutung, wenn man nicht weiß, wozu sie benutzt werden. Im Kriegszusammenhang müsste

Weitere Kostenlose Bücher