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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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›Kollateralschaden‹ den irrtümlichen Beschuss der eigenen oder verbündeten Streitkräfte oder Zivilisten bezeichnen, aber das US-Militär dachte sich dafür die Begriffe ›friendly fire‹ oder ›blue on blue‹ aus.« Ich sah ihm einen Moment lang ruhig in die Augen. »MacKenzies Lieblingsausdruck war ›shock and awe‹. Er definierte es als Zermürbungstaktik und fand die Nebeneinanderstellung der beiden Begriffe großartig – Entsetzen verbunden mit Einschüchterung. In seinen Augen entsprach es der natürlichen Ordnung der Dinge, dass die Schwachen vor den Starken zu Kreuze kriechen.«
    »Und Ihre Aufgabe war es, ihm die Illusion von Stärke zu ermöglichen?«
    »Es war keine Illusion«, widersprach ich. »Es war eine Realität. Ich war seine Teufelsfeder.«
    »Was heißt das?«
    »Was Sie wollen. Dass ich schuld bin – dass man mich zerstören kann – dass ich ein Nichts bin.«
    Peter ließ das Schweigen sich ausbreiten, ehe er es von neuem versuchte. »Sie waren eine Gefangene. Die Realität ist doch, dass Sie von einem Mann, der Sie auf andere Art nicht beherrschen konnte, in eine Position der Schwäche versetzt wurden. Ich will Ihre Reaktion darauf nicht herunterspielen, aber sehen Sie doch wenigstens ein, dass das nichts weiter war als das Ausagieren von Dominanzfantasien.«
    »Das waren keine Fantasien. Er kann einem furchtbare Angst machen, und das weiß er. In Sierra Leone hatten alle Angst vor ihm.«
    »Außer den Soldaten. Sagten Sie nicht, dass zwei Fallschirmjäger ihn gezwungen haben, der Prostituierten eine Entschädigung zu zahlen?«
    Ich drückte die Hände noch fester unter die Arme. »Ja – gut, Soldaten sind mutiger als Journalisten. Es ist wahrscheinlich nützlich, wenn man Grundkenntnisse im waffenlosen Kampf hat.« Ich holte tief Atem. »Wissen Sie, das Ganze hier ist ziemlich sinnlos, Peter. Ob Sie es glauben oder nicht, ich weiß sehr genau, was ich tun muss. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, und ich werde ganz sicher dieses Protokoll lesen.« Ich wies mit einer Kopfbewegung zu den Papieren auf dem Tisch. »Im Augenblick jedoch …«, mir blieb plötzlich die Luft weg vor Angst. »O Gott!«
    Peters Reaktion überrascht mich heute noch. Ich hätte erwartet, dass er irgendwie eingreifen würde, und sei es nur verbal, indem er mir ruhig zu bleiben gebot. Aber er tat gar nichts. Er faltete nur die Hände auf dem Tisch und blickte zu ihnen hinunter, während ich eine Papiertüte aus meiner Tasche riss und mit weit aufgerissenen Augen in sie hineinzuatmen begann. Als mein Atem sich schließlich so weit beruhigt hatte, dass ich die Tüte wegnehmen konnte, schaute er auf seine Uhr.
    »Nicht schlecht. Eine Minute fünfunddreißig Sekunden. Wie lange dauert es normalerweise?«
    Mir lief der Schweiß in Bächen das heiße Gesicht hinunter. »Was interessiert Sie das?«, stieß ich hervor.
    »Hm. Na ja, es gibt immer noch Antidepressiva. Wenn Sie sich unbedingt in Selbstmitleid wälzen wollen, verschreibe ich sie vielleicht sogar.«
    »Jess hat ganz Recht«, fuhr ich ihn an und kramte in meiner Tasche nach Papiertüchern. »Sie kann man getrost vergessen.«
    Er lächelte. »Seit wann haben Sie Nasenbluten?«, fragte er, als ich den Kopf in den Nacken legte und den Papierbausch auf meine Nase drückte.
    »Das geht Sie gar nichts an.«
    »Wollen Sie Eis haben?«
    »Nein.«
    »Wie hat er Ihnen die Luft abgeschnürt? Mit Plastiktüten?«
    Genauso hätte ich die Frage gestellt. In dem gleichen beiläufigen Ton und ohne jeden Nachdruck. Und ich fiel prompt darauf herein, weil ich nicht darauf gefasst war. »Meistens hat er mir den Kopf unter Wasser gedrückt«, sagte ich.
Von: [email protected]
    Abgesandt: Sa, 14/08/04, 10.03
    An: [email protected]
    Thema: Ergänzende Informationen
    Lieber Alan,
    ich habe die ganze Nacht über diese EMail nachgedacht. Es gibt viele Gründe, warum ich sie lieber nicht schreiben würde, und nur einen, weshalb ich es dennoch tue – weil es um meine Eltern geht. Trotz der Artikel, die ich im Lauf der Jahre geschrieben habe, um auf das tragische Schicksal von Frauen und Kindern im Krieg aufmerksam zu machen, hätte ich, glaube ich, tausend namenlose Frauen sterben lassen, bevor ich etwas gesagt hätte. Es geht um die Ehrlichkeit des Menschen – so wie in der Geschichte von dem alten Chinesen und dem Todesstrahl. Kennen Sie die?
    Ein reicher Mann zeigt Ihnen eine Maschine, die Todesstrahlen aussenden kann, und verspricht Ihnen eine Million

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