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Des Todes Liebste Beute

Des Todes Liebste Beute

Titel: Des Todes Liebste Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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etwas mit meinen Eltern. Mein Vater wurde noch strenger als zuvor, und meine Mutter resignierte einfach. Vorher war es ihr immer noch gelungen, seine Launenhaftigkeit ein wenig zu dämpfen, aber nach Karas Tod zog sie sich vollkommen zurück. An irgendeinen dunklen Ort. Sie war nicht mehr dieselbe.«
    »Du musst ziemlich wütend gewesen sein, dass sie dich einfach so im Stich gelassen hat.«
    Kristen dachte einen Moment darüber nach. »Ja, wahrscheinlich war ich das. Hinzu kam, dass mein Vater, wie ich schon sagte, noch rigider mit mir umging, als es vorher ohnehin schon der Fall gewesen war. Es war, als wäre ich die Wilde, die gemaßregelt werden musste. Ich durfte nicht mehr aus dem Haus, außer zur Schule. Ich war auf keinem Footballspiel mehr, durfte nicht zu den Abschlussbällen – nichts. Aber ich hatte auf der High School eine tolle Kunst-Lehrerin, die mir half, das Stipendium für Florenz zu bekommen, mich bei einer Gastfamilie unterbrachte und sogar mit meinem Vater sprach.«
    »Und er sagte nein.«
    Kristen sah zu ihm auf. Sein Blick war die ganze Zeit auf sie gerichtet gewesen. »Er sagte nein.« Sie zuckte die Achseln. »Also trotzte ich ihm und ging dennoch. Ich war inzwischen achtzehn und hatte Geld gespart, weil ich vor Karas Tod oft als Babysitter gejobbt hatte. Auch Kara hatte einiges gespart, und ich wusste, dass sie es mir ohnehin gegeben hätte, wenn sie noch gelebt hätte, also nahm ich es und kaufte mir das Flugticket nach Italien. Nur Hinflug. Mir war klar, dass ich irgendwann zurückkommen musste, aber ich wollte nicht so weit vorausdenken.«
    »Ich kann mir dich gar nicht als jemand vorstellen, der in den Tag hineinlebt«, sagte er leise.
    Kristen dachte an das Mädchen, das sie einmal gewesen war. »Die Zeit verändert die Menschen. Jedenfalls kam ich aus Italien zurück und ging aufs College. Mein Vater wollte sich nicht ändern, also … kehrte ich ihm den Rücken zu.« Es war nur die halbe Wahrheit, aber mehr konnte oder wollte sie zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Vielleicht später.
    Er musterte ihr Gesicht noch immer, und sie wusste, dass er wusste, dass sie nicht alles erzählt hatte, aber er drängte sie nicht. »Du hast gesagt, dein Vater lebt noch. Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Letzten Monat.«
    Abe riss die Augen auf. »Letzten Monat?«
    »Ja. Meine Mutter ist in einem Pflegeheim.« Ihre Kehle verengte sich. »Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Sie weiß seit drei Jahren nicht mehr, wer ich bin, aber ich fliege trotzdem einmal im Monat nach Kansas, um sie zu besuchen. Beim letzten Mal habe ich meinen Dad getroffen. Er kommt gewöhnlich nie sonntags, aber meine Mutter hatte wohl eine schlechte Nacht gehabt, sodass sie ihn angerufen haben. Als ich kam, verließ er das Zimmer, also haben wir uns nur gesehen, nicht gesprochen.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Ja, mir auch. Es ist schwer, meine Mutter so sehen zu müssen. Ich fand es so schön, vorhin deiner Mutter zuzusehen. Bevor Kara starb, war meine Mutter auch gerne in der Küche. Danach konnte sie sich kaum mehr dazu aufraffen. Und nun liegt sie nur noch da und verfällt. Seit ich sechzehn geworden bin, ist sie eigentlich nicht mehr meine Mutter gewesen.«
    Er schwieg einen Moment. »Ich bin immer zu Debra gegangen und habe mit ihr geredet, aber ich habe bis jetzt keine Ahnung, ob sie etwas davon gehört oder verstanden hat.«
    Kristen legte ihre Stirn an seine Brust. »Manchmal«, sagte sie müde, »wünsche ich mir, sie würde endlich sterben, und dann habe ich ein so schlechtes Gewissen.«
    Sein Atem ging schwer. »Ja, das kenne ich sehr gut. Mir ist es mit Debra nicht anders gegangen.«
    »Am Freitag hast du gesagt, dass sie fünf Jahre lang im Koma gelegen hat.« Fünf Jahre waren eine höllisch lange Zeit, wenn man den geliebten Menschen nur noch ansehen durfte.
    »Sie lag nicht im Koma. Sie befand sich in einem dauerhaft vegetativen Zustand. Das ist etwas anderes. Debra war klinisch hirntot, als man sie in die Notfallambulanz brachte.« Kristen zögerte einen Moment, dann entfuhr es ihr: »Und hast du jemals daran gedacht, die Maschinen abzuschalten?«
    Wieder hob und senkte seine Brust sich schwer. »Nur jedes Mal, wenn ich sie sah oder an sie dachte. Aber dann konnte ich es doch nicht. Solange sie am Leben war, konnte ich einfach nicht. Ihre Eltern wollten es allerdings.«
    Kristens Augen weiteten sich. »Ich dachte, die Eltern sind normalerweise diejenigen, die sich weigern.«
    »Nicht Debras

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