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Des Todes Liebste Beute

Des Todes Liebste Beute

Titel: Des Todes Liebste Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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anrufen können?«
    »Nein.« Es war keine bittere Erwiderung – einfach nur ein Nein.
Nein, Sie haben keinen Freund, den Sie anrufen können oder nein, Sie haben keinen Freund?
Der Gedanke war aus dem Nichts gekommen und traf ihn wie ein Schlag. Genau wie die Erkenntnis, dass er sie beschützen wollte. Vor dem Spanner-Mörder, der Selbstjustiz übte? Vor den Freunden, die nicht da waren?
Vor mir?
    »Ich bringe Sie nach Hause. Es liegt auf dem Weg.« Das war gelogen, aber das musste sie ja nicht wissen.
    Sie lächelte. »Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen meine Adresse doch gar nicht.«
    Er wiederholte Straße und Hausnummer, dann zuckte er verlegen die Achseln. »Ich habe zugehört, als Sie Spinelli sagten, wohin er den Streifenwagen schicken soll. Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu fahren, Kristen. Ich schaue mich ein wenig um und sehe nach, ob sich irgendwo ein Schurke im Schrank versteckt.«
    »Das will mir auch nicht so recht aus dem Kopf«, gab sie zu. »Sind Sie sicher, dass es keine Umstände macht?«
    »Ganz sicher. Aber ich muss Sie um zwei Gefallen bitten.«
    Augenblicklich wurde der Blick ihrer grünen Augen misstrauisch, und er fragte sich, welcher Umstand dafür verantwortlich sein mochte.
Oder welcher Mensch? Mann?
Eine Frau, die wie Kristen Mayhew aussah, hatte wahrscheinlich viel zu oft mit Macho-Verschnitten zu tun, die ihr Gefallen abringen wollten. »Und was wäre das?«, fragte sie scharf.
    »Als Erstes müssen Sie aufhören, mich Detective Reagan zu nennen«, sagte er schlicht. »Bitte sagen Sie Abe.«
    Er sah, dass sie sich ein wenig entspannte. »Und das Zweite?«
    »Ich bin halb tot vor Hunger. Ich hatte vor, auf dem Heimweg irgendwo anzuhalten und einen Happen zu mir zu nehmen. Sind Sie dabei?«
    Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie. »Ich habe auch noch nichts gegessen.«
    »Gut. Mein Jeep steht auf der anderen Straßenseite.«

Mittwoch, 18. Februar, 23.00 Uhr
    Er war bereit. Er rieb mit dem weichen Tuch über den Lauf des Gewehrs. Es war immer noch wie neu, und das lag allein daran, dass er es sorgsam pflegte. Wer klug war, kümmerte sich um sein Werkzeug. Dieses hier hatte ihm in den letzten Wochen gut gedient.
    Er zog das Foto in dem billigen Silberrahmen ein kleines Stück zu sich heran. »Sechs erledigt, Leah. Wer soll der Nächste sein?« Behutsam legte er das Gewehr auf den Tisch und steckte die Hand in das Goldfischglas. Früher hatte Leahs Goldfisch darin gelebt. Leah hatte, solange er sie kannte, immer einen Goldfisch gehabt. Und er hatte stets Cleo geheißen. Immer wenn einer starb, tauchte am nächsten Tag wundersamerweise ein neuer im Glas auf und wurde Cleo getauft. Leah wollte nie wahrhaben, dass der Fisch gestorben war. Sie ersetzte ihn einfach und machte weiter wie bisher. Am Tag, an dem er Leahs Leiche identifizierte, fand er einen toten Cleo im Glas. Er hatte es nicht über sich gebracht, einen neuen zu kaufen.
    Nun enthielt das Goldfischglas die Namen aller, die trotz Kristen Mayhew ihrem gerechten Urteil entgangen waren. Mörder, Vergewaltiger, Pädophile – sie alle durften noch immer die Straßen unsicher machen, weil irgendein Verteidiger ohne Moral ein Schlupfloch gefunden hatte. Die Verteidiger waren keinen Deut besser als die Verbrecher. Sie trugen nur die besseren Anzüge.
    Er fuhr mit der Hand durch die kleinen Papierschnitzel und hielt inne, als seine Finger einen eselsohrigen Zettel berührten. Er hatte lange überlegt, ob er eine Reihenfolge festlegen sollte. Ob es Verbrechen gab, die schlimmer als die anderen waren, ob ein Opfer vor allen anderen gerächt werden musste. Er hatte nicht so viel Zeit, insbesondere da nun die Polizei involviert war. Natürlich hatte er gewusst, dass Kristen sie benachrichtigen würde, aber das Risiko war vertretbar, wenn man es gegen das befriedigende Gefühl, dass sie nun Bescheid wusste, aufwog.
    Zuerst hatte er also alle Zettel in das Glas getan und beschlossen, Gott seine Hand führen zu lassen. Er holte ein gefaltetes Blatt heraus. Betrachtete die Ecke, die er selbst umgeknickt hatte. Nun … er hatte Gott nur ein wenig Hilfestellung gegeben, das war alles.
    Und das war nur recht und billig. Vergewaltigung und Missbrauch von Kindern bedeuteten einen Vorsatz, eine Bösartigkeit, die bestraft, ja ausgelöscht werden musste. Und deshalb hatte er nach reiflicher Überlegung die Zettel noch einmal herausgenommen und alle Sexualstraftaten mit einem Eselsohr versehen.
    Er starrte das gefaltete Papier an. Die

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