Des Todes Liebste Beute
die dröhnende Orgel. Es gab einen Priester in vollem Ornat, der Weihrauch schwenkte, und ein goldenes Taufbecken, neben dem ein strahlender Sean und eine ebenso strahlende Ruth standen und warteten.
Und es gab Familie. So viel Familie, das es Kristen im Herzen wehtat. In den Reihen saßen außerdem mehr als ein Dutzend bewaffneter Polizisten, Freunde von Abe und Aidan, die dafür sorgen wollten, dass weder Conti noch sonst jemand das Fest störte. Mia war gekommen, Spinelli auch. Selbst Todd Murphy, im frisch gebügelten Anzug, hatte sich eingefunden.
Kristen beobachtete, wie der Priester das Baby nahm und lächelte. Sie seufzte tief, was Abe neben ihr nicht entging. »Wunderschön ist sie, nicht wahr?«, murmelte er.
Kristen spürte ein Brennen in den Augen. »Ja.«
»Jetzt sind die Paten an der Reihe«, flüsterte er. »Annie ist Patentante, Ruths Cousin Franklin Patenonkel.«
Abe sah zu, wie Annie und Franklin ihre Plätze einnahmen. Er hätte Pate für Jeanette, die inzwischen fünf war, sein sollen, doch er war damals undercover gegangen und der Meinung gewesen, dass er die Rolle eines Paten mit all seinen Pflichten und Verantwortungen nicht angemessen ausfüllen konnte. Die Reagans nahmen solche Dinge schließlich ernst. So war Aidan Jeanettes Pate geworden, und Abe hatte nicht einmal miterleben können, wie sie sich zu dem glücklichen Kind, das sie jetzt war, entwickelt hatte.
Er und Debra hatten sich Ruth und Sean als Paten ausgesucht, aber natürlich war nie etwas daraus geworden. Vielleicht konnten Kristen und er noch einmal anfragen, wenn bei ihnen das erste Kind unterwegs war. Eine Wärme erfüllte ihn, und er nahm ihre Hand und drückte sie.
Sie sah ihn mit einem Lächeln an, das ihre Augen nicht erreichte. Sie hatte eine harte Woche hinter sich. Es war schwer zu sagen, was hinter ihrem angestrengten Lächeln steckte. So viel Leid. Er musste an das kleine Mädchen denken – an Savannah. Was musste sie empfinden, wenn sie jedes Jahr ein neues Foto von ihr erhielt? Nun, er wusste es. Wahrscheinlich dasselbe, was er jedes Mal empfand, wenn der errechnete Geburtstag seines Sohnes kam und nicht gefeiert wurde. Er dachte an die Nacht zuvor, als sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Es war so natürlich gewesen, mit ihr zu schlafen. Er sah auf sie herab und spürte, wie sein Körper sich regte. Er war gestern in ihr gekommen, ohne dass sie verhütet hatten. Trotzdem war sie sich sicher gewesen, dass nichts hatte passieren können, dass sie nicht empfangsbereit gewesen war. Er lächelte. Er war katholisch erzogen worden. Die Hälfte der Leute, die er kannte, waren während der »sicheren Zeit« gezeugt worden. Vielleicht hatte sie sich geirrt.
Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Und stellte sich vor, dass er neben dem Priester stehen würde, in seinen Armen ein Baby mit roten Locken und riesigen grünen Augen. Sein Leben setzte sich endlich wieder fort. Er fühlte sich wie neugeboren, und der Grund dafür war Kristen.
Samstag, 28. Februar, 12.00 Uhr
Drake setzte sich auf die Kirchenbank neben Jacob und Elaine. Elaine war noch immer betäubt, schien nichts von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Jacob hielt ihre Hand und nahm den Kummer für sie beide auf seine Schultern, während er auf den Sarg starrte. Vielleicht, dachte Drake, konnte die Tatsache, dass ein Teil seiner Rache erfüllt war, den Schmerz ein wenig lindern.
»Es ist getan, Jacob«, murmelte er.
Jacob rührte sich nicht, sondern starrte nur auf den Sarg. »Gut.«
Samstag, 28. Februar, 12.15 Uhr
»Nette Feier, Abe«, sagte Mia, die mit einem Becher Punsch auf ihn zukam. »Wäre noch netter, wenn der Punsch etwas gehaltvoller wäre, aber dennoch.«
»Es ist eine Taufe, Mia«, schalt Abe sie grinsend.
»Hey, jeder muss irgendwann lernen, wie richtig gefeiert wird.« Sie sah sich im Gemeindesaal um. »Ich denke, du hast genügend Wachhunde hier. Ich habe eben einen Anruf von Miss Keene, der Hut-Lady, bekommen. Sie hat in ihren Jahrbüchern aus der High School ein Bild von Robert Barnett gefunden.«
Abes Puls beschleunigte sich. »Vielleicht finden wir ja endlich heraus, welche Verbindung zwischen Paul Worth, Robert Barnett, den Kugeln und Leah Broderick besteht. Soll ich mitkommen?«
»Nein, mach du mal schön auf Familie. Ich kann das allein erledigen. Miss Keene mag mich schließlich.«
Abe sah sie unverwandt an. »Viele Leute mögen dich.«
Mia sah zur Seite. »Und Ray hätte dich gemocht, Abe. Okay,
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