Des Todes Liebste Beute
bis dann. Ich bringe das Jahrbuch mit.«
Abe sah ihr nachdenklich hinterher. Er wusste, dass das, was sie gesagt hatte, ihre Anerkennung besser ausdrückte als jedes unverblümte Lob. In diesem Moment klingelte sein Handy, und er kehrte in die Wirklichkeit zurück. »Reagan.« Er lauschte, während sein ganzer Körper in Alarmbereitschaft geriet. »Wir kommen, so schnell wir können.«
Er sah sich um und entdeckte Kristen bei Aidan. Er ging direkt auf sie zu und sah, wie sich ihre Miene veränderte. Offenbar konnte man es ihm einmal mehr im Gesicht ablesen.
»Was ist?«, fragte sie eindringlich.
»Du hast wieder einen Brief bekommen. Aidan, sagst du Sean und Ruth, dass es uns Leid tut? Wir müssen weg.«
Samstag, 28. Februar, 12.50 Uhr
Kristen stand auf ihrer Veranda und sah stirnrunzelnd auf den Briefumschlag herab. »Kein Päckchen, keine Kiste. Er hinterlässt doch immer Päckchen.«
Ein Wagen hielt hinter dem Streifenwagen, und Jack stieg aus. »Das ist ja gar kein Päckchen.«
»Danke, Jack, das sehen wir«, sagte Abe. »Machen wir ihn auf, dann wissen wir mehr.«
»Ich hoffe, wir sind schnell fertig«, murmelte Jack und deutete auf sein Auto, in dem Julia saß und ihnen zuwinkte. Auf dem Rücksitz saß ein kleiner Junge. Jack errötete. »Wir gehen in den Zirkus.«
Kristens Lächeln war schwach, aber aufrichtig. »Ich freue mich für Sie, Jack. Lassen Sie es uns schnell hinter uns bringen, dann ist der Kleine nicht enttäuscht.«
Jack blieb abrupt stehen, als er ihre ausgeweidete Küche sah. »Waren Sie das?«
»Zum Teil. Ich hatte Hilfe.«
Jack breitete weißes Papier auf dem Tisch aus. »Schauen wir mal.« Er schüttelte den Umschlag, und zwei Blatt Papier rutschten heraus. Er gab Kristen den Brief und entfaltete das andere Blatt.
Kristen schnappte hörbar nach Luft. »Oh, Gott.« Sie presste sich die Hand vor den Mund und wurde leichenblass.
Abe schaute auf das entfaltete Blatt, und es war, als hätte man ihm mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen. Es war ein Wahlplakat.
Geoffrey Kaplan für Kansas
stand oben in großen Buchstaben, darunter sah man das uninteressante Gesicht eines Mannes, der kahl zu werden begann.
Dies war der Mann, der Kristen vergewaltigt hatte.
Lieber Gott.
»Ist er das?«, fragte er, und sie nickte, die Hand noch immer über dem Mund. »Wie konnte er das wissen?«, fragte er barsch. »Verdammt, Kristen, wie konnte er das wissen?«
Sie sank, Entsetzen in den Augen, auf den Stuhl. »Ich weiß nicht.« Sie blickte über die Schulter zum Fenster. »Ob er gelauscht hat?«
Jack ging vor Kristen in die Hocke, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Wer ist das?«
Ihr Blick suchte flehend Abes.
»Denk nach, Jack«, sagte Abe ruhig. »Überleg mal, was Kristen gestern am Telefon zu June Erickson gesagt hat.«
Jack wurde blass. »Nein.«
Kristens Hände bebten. »Ich habe es nur dir erzählt, Abe. Das einzige Mal, dass ich je über ihn gesprochen habe, war hier in der Küche am Donnerstagabend. Entweder hat er am Fenster gelauscht, oder er hört mein Haus ab.«
Jack sah sich im Raum um, dessen Wände vollkommen nackt waren. »Man könnte höchstens den Tisch verwanzen. Hilf mir mal, Abe.«
Sie drehten gemeinsam den Tisch um, und Jack untersuchte ihn genau. »Nichts, was ich sehen könnte. Wartet.« Er ging und kehrte einen Moment später zurück. »Da draußen war tatsächlich jemand. Es hat am Donnerstagmorgen zu tauen begonnen, also könnte der Donnerstagabend hinkommen. Außerdem ist bei Ihrem Schuppen da hinten irgendetwas passiert.«
»Das kann ich erklären.« McIntyre kam von draußen herein. »Ich hörte etwas im Garten und sah Rauch. Als ich nachsah, fand ich eine Rauchbombe. Also rannte ich wieder nach vorne, und da lag der Brief.«
»Ablenkung«, murmelte Abe. »Wann war das?«
»Zwei Minuten bevor ich Sie angerufen habe. Ich habe direkt Verstärkung angefordert, die nach dem Lieferwagen Ausschau halten sollte, aber sie haben nichts gefunden.«
»Lies den Brief vor, Kristen«, sagte Abe.
»Ich kann nicht.« Sie zitterte am ganzen Körper.
Abe nahm ihr den Brief aus der Hand. Er war auf schlichtem weißen Papier handgeschrieben worden. »›Meine liebste Kristen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr es mir Leid tut, dass Ihnen, Ihren Freunden und Ihrer Familie letztendlich durch mich so viele Unannehmlichkeiten entstanden sind. Ich wollte immer nur, dass Sie sich ein wenig sicherer und getrösteter fühlen konnten. Ich werde Ihnen keine Briefe mehr schicken, aber
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