Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur (German Edition)
Das reinste Naturprodukt. Genau genommen waren wir eigentlich schon viel früher grün, als die heutigen Grünen es je sein können. Brot wurde halt gammelig nach zwei Tagen, das konntest du wegschmeißen, damit konntest du im besten Fall jemanden erschlagen. All das, diesen natürlichen Geschmack, den vermisse ich sehr. Ich werde nie vergessen, damals die ersten Tage nach der Wende in Westberlin … mit den 100 D-Mark Begrüßungsgeld bin ich in den erstbesten Supermarkt und wollte unbedingt einen bestimmten Pudding haben. Viele Kindheitsjahre lang hatte ich im bundesdeutschen Werbefernsehen einen Schichtpudding bewundert, bestehend aus einer Lage Schoko, einer Schicht Vanillepudding und obendrüber eine Sahnehaube. Ich bin natürlich groß geworden mit Ommas Schokoladenpudding, der richtig in einem doppelwandigen Aluminiumtopf mit Wasser drin aufgekocht wurde … und dann pfiff der irgendwann so lustig. Du musstest ständig rühren, damit dir das ganze Zeug nicht anbrannte, dann kam so dieses klassische Schokoladenpulver rein, aufkochen – fertig! Also fast, denn dann musste man noch sechs Stunden warten, bis der kalt und sturzfähig war, und erst dann konnte man sich ein Stück wie ein Tortenstück rausschneiden. Ein Geschmack, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Aber um auf den Puddingkauf in den ersten Wendetagen zurückzukommen: Ich also mit dieser Erwartungshaltung rein in den Supermarkt und hol mir aus dem Kühlregal diesen Schichtpudding von Firma XYZ … ich habe keine Ahnung …
CS: … war das «Dany plus Sahne»?
Nein, irgendwas aus dem No-Name-Regal. Ich riss sofort nach der Kasse diesen Aludeckel ab. Und natürlich hatte ich keinen Löffel dabei. Also kurz den Finger eingetaucht, in Erwartung des königlich besten Geschmacks, den man sich vorstellen kann … ich dachte, alles, was aus dem Westen kam, MUSS gut sein … und spuckte das eine Zehntelsekunde später wieder aus. Eine Welt brach in mir zusammen. Aus der Sicht von heute ein tiefgreifendes Schlüsselerlebnis: Auch im Westen wird nur mit Wasser gekocht, manchmal ist es auch nur lauwarm …
Oh, ich kenne diesen Chemiegeschmack, weil ich auch mit selbstgemachten Puddings großgezogen wurde. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das geht gar nicht. Jetzt habe ich eben in der Chartshow festgestellt, dass du ein großer Musikkenner bist, fast ein Musik-Freak. Du hast zu Hause die Computer voll mit Mucke.
Zwei Terabyte, um genau zu sein …
War das immer so?
Nein, ich habe überhaupt erst irgendeine Art Bezug zu Musik entwickelt, als in der vierten Klasse zwei Lehrer vom örtlichen Musikkonservatorium unsere Schule besuchten. Wer Interesse hatte, ein Instrument zu lernen, der konnte sich melden, was ich auch neugierig tat. Da habe ich überhaupt erst einmal mitbekommen, dass es Musik gibt, dass man sich mit ihr beschäftigen kann, Musik lernen und begreifen kann, so blöd das jetzt klingen mag. Ich bin, wie soll ich sagen, in einem Stadtpark groß geworden. Ich habe meine Kindheit draußen verbracht, im Freien, im Wald meiner Heimatstadt, in der Natur. Ich habe nicht stundenlang Fernsehen geschaut, ich war ein Natur-, ein Straßenkind. Wir haben uns mit uns selbst beschäftigt. Ich wusste nicht, dass es so verrückte Trompeten gab, dass es Blechblasinstrumente gab, irgendwelche Gitarren oder so, das ging wirklich an mir vorbei bis zur vierten Klasse. Dann hatten wir gute Lehrer, und die sagten: «Guck mal, das ist ein Orchester. So ist es aufgebaut. Es gibt Streichinstrumente, es gibt Blechblasinstrumente.» Gut, ein Klavier hatte ich schon mal gesehen. Lange Rede: Ich wollte eigentlich irgendwas Schickes lernen. Trompete gefiel mir. Doch der damalige Musiklehrer meinte, meine Unterlippe wäre dazu zu dick. Deshalb kam nur ein größeres Blechblasinstrument in Frage. Schließlich wurden es dann sieben Jahre Musikkonservatorium im Fach Bariton. 96 DDR-Mark Jahresgebühr, erinnere ich mich noch. Und damit ich nicht ständig die Nachbarn im Plattenbau nervte, trötete ich zu Hause immer in den Kleiderschrank. Liebe Nachbarn, ich kann nur ahnen, was ihr damals ertragen habt, verzeiht bitte.
Bariton-Gesang?
Nicht Bariton-Gesang, sondern das Bariton-Blechblasinstrument. Liegt der Größe nach zwischen Tenor-Horn und Tuba. Vier Ventile und wird nach dem Bass-Schlüssel gespielt. Das habe ich dann am Musikkonservatorium gelernt. Das prägte sehr mein erstes Verhältnis zur Musik. Jahre später
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