Des widerspanstigen Zaehmung
Ziegelsteinen erbauten Pavillon mit seinen vier weißen Türmchen, die sich dem Himmel entgegenstreckten. Ein wenig erinnerte er an ein Märchenschloss aus alten Zeiten. „Die Gerüchte besagen, dass die Geheimgänge im Pavillon als perfekter Treffpunkt für liebesbedürftige Gäste des Dukes dienen."
„Ja, Jane", erwiderte er in einem leicht gönnerhaften Tonfall. „Es würde mich auch wundern, wenn Chloe sich dorthin zurückgezogen hat, um die Baukunst der Maurer zu bestaunen."
„Augenblick", sagte Jane plötzlich und schaute ihn argwöhnisch an. „Sie haben mir doch erzählt, Sie hätten sie in ihrem Zimmer eingeschlossen."
„Ein abgeschlossenes Zimmer ist für einen Boscastle kein Hindernis", erwiderte er finster. Das angenehm duftende Gras nahm an einem breiten, gepflasterten Weg ein jähes Ende. „Es ist eine Herausforderung, ein Sprungbrett für gewagte Eskapaden."
„Sie wirkte auf mich eher wie ein vernünftiges Mädchen", meinte Jane kopfschüttelnd. „Als wir uns einmal im Findelhaus begegneten, fand ich sie recht sympathisch."
„Vernünftig?", schnaubte er. „Man weiß nie, was sich unter der Oberfläche verbirgt."
Jane verkniff sich eine Antwort darauf. Sie konnte nicht in diese wachsamen blauen Augen blicken, wenn sie ein solches Geheimnis zu verbergen hatte. „Nun ja vermutlich nicht."
„Das ist einer der Gründe, weshalb ich Sie mag, Jane", sagte Sedgecroft. „Sie sind eine sehr direkte und vernünftige Frau."
O nein! Wenn er wüsste, wie schlangengleich sie sich ihm gegenüber in den letzten zwei Tagen verhalten hatte.
„Ich wünschte, Sie hätten etwas Einfluss auf Chloe", fügte er dann noch hinzu.
„Ich bin mir sicher, dass sie im Grunde vernünftig ist", murmelte Jane.
„Das sagen Sie, weil Sie vernünftig sind."
„Hören Sie auf, mich wie den Inbegriff der Vollkommenheit hinzustellen." Sie würde noch schreien, wenn er sie weiter mit unverdienten Komplimenten überschüttete. „Das macht mich ganz verlegen!"
„Das ist genau das, was ich meine", gab er zurück und nickte bestätigend. „Ich kann mich nicht daran erinnern, je einer so ehrlichen Frau begegnet zu sein. Und ich schätze Ehrlichkeit", fuhr er fort, als habe er seine Meinung noch immer nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht.
„Mir war nicht bewusst, dass eine Eigenschaft wie Ehrlichkeit etwas ist, was ein Mann wie Sie beim anderen Geschlecht bewundern könnte", gestand sie leise.
„Nun, jedenfalls neben anderen Dingen." Sein verruchtes Lächeln ließ keinen Zweifel, welche anderen Dinge er damit meinte. „Vielleicht können Sie meiner Schwester als Vorbild dienen."
„Ich halte das nicht für eine gute Idee."
„Es gibt keine andere Frau, an deren Verhalten sie sich orientieren kann. Nicht mehr, seit Emma nach Schottland ging. Ich fürchte, in Sachen Moral bin ich für sie kein sehr gutes Vorbild."
„Hmm", machte sie, da sie nichts dagegen sagen konnte.
„Ich kann nicht einfach die Boscastle-Dynastie vor die Hunde gehen lassen", fuhr er fort, wobei ihm durchaus klar war, dass er sich ihr abermals anvertraute. „Das Problem ist, ich dachte, ich hätte noch einige Jahre ausgelassener Eskapaden vor mir, ehe ich sesshaft werden muss."
„Wie grausam, dass Ihre Sünden so ein jähes Ende nehmen müssen."
Als er lachte, war es, als würde der dunkle Klang seiner Stimme lustvoll über ihre Haut gleiten. „Tja, das Leben kann hart sein, nicht wahr?"
Vom gegenüberliegenden Hang drangen die leisen Klänge des Orchesters zu ihnen herüber. Eine Reihe von Weidenbäumen warf ihren Schatten auf die Promenade und verdeckte sie fast völlig. Zwei Delfine aus weißem Marmor flankierten den Eingang zum Pavillon und schickten in hohem Bogen durchscheinende Wasserfontänen in die Luft. Grayson sah sich um. Keiner der Gäste konnte sie hier beobachten.
„Ich hörte, man nennt ihn auch den Lustpavillon", murmelte Jane. „Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl drinnen aussieht."
„Sie müssen sich nicht länger fragen", sagte Grayson, während er sie rasch ins dämmerige Innere schob. „So. Ich glaube, niemand hat uns gesehen."
„Sedgecroft, ich bin mir nicht sicher ..."
„Achten Sie darauf, wo Sie hintreten", warnte er sie. Seine Stimme schien von den verwirrenden Schatten fast verschluckt zu werden. „Der Boden ist feucht, und es ist hier drin so düster wie im Hades."
Die Erwähnung des Hades ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen, und ein wenig fühlte sie sich wie Persephone,
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