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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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Rauch dichter war und alle anderen Geräusche vom Knistern der Flammen geschluckt wurden. Zu spät erkannte ich, dass er auf den zweiten Turm zusteuerte. Meiner Intuition nach bewahrte er dort sicherlich keinen Beichtstuhl auf.
    Als ich keine fünf Sekunden nach ihm den Turm betrat, hatte er sich bereits ein n eues Schwert geschnappt. Der Schmerz, der ihm dabei offensichtlich durch seine gebrochen Hand und die Schulter zuckte, schien er zu ignorieren.
    »Es ist arrogant, mehr als eine Waffe aufzubewahren«, erklärte ich ihm mit einem Blick durch den Raum. Ich drehte mich unter seinem verletzten Arm durch und wehrte nur knapp einen Hieb seinerseits ab. Meine linke Handfläche begann zu bluten. Aber meine Rechte umfasste den Griff eines zweiten Schwertes an der Wand hinter ihm. Ich wirbelte herum. »Man könnte sie gegen dich einsetzen.«
    Gekonnt parierte ich jeden seiner Vorstöße, drängte ihn im Gegenzu g von der Tür weg an die Treppe.
    Als Darragh erkannte, dass er auf dem gewöhnlichen Weg nicht mehr nach draußen kommen würde, bewegte er sich rückwärts die Treppe hoch. Seine Hiebe wurden von Stufe zu Stufe aggressiver, stellenweise unkontrollierter; er verlor die Geduld.
    Ich hingegen behielt mein Tempo bei. Ich wollte aggressiver werden. Ich wollte die Klinge auf ihn einhacken wie er es mit Jarons Fuß getan hatte, doch ich wusste, damit würde ich meinen Vorteil verlieren und leichte Beute werden.
    Wenn es etwas gab, das ich bei meinem vielen Training gelernt hatte, dann das.
    »Du bist widerstandsfähiger als dein Vater es war«, höhnte Darragh.
    Ganz kurz hielt ich inne, dann fing ich mich wieder. Ich würde mich nicht von Darraghs Worte ablenken lassen.
    Auf den letzten Stufen stieß ich ein weiteres Mal vor, in der Absicht, ihm den Bauch aufzuschlitzen. Bei dem Versuch, mich abzuwehren, stolperte er nach hinten in den Raum, der genauso aussah wie in dem anderen Turm – nur ohne das Blut und die Ketten. Das Schwert noch immer in der Hand, wich er auf allen Vieren zurück.
    Durch das scheibenlose Fenster war der Qualm hereingekommen. In der Enge des Raums verdichtete er sich schneller.
    »Er war hier bei seinem Tod«, hörte ich seine Stimme.
    Ich drehte mich mehrmals um mich selbst, versuchte auszumachen, wo er war »Du lügst! Er konnte diese Welt nie alleine betreten.«
    »Er war nur halb bei Bewusstsein.« Wieder stieß er ein Lachen aus. »Hat kaum verständlich gemurmelt.«
    Obwohl ich wusste, dass er lügen musste, zitterten meine Finger. Ich umklammerte das Schwert fester. Ich durfte nicht zulassen, dass er mich noch einmal mit diesen Psychospielchen ablenkte.
    » Als er wimmernd und nach Luft ringend über den Boden kroch, ist sein armes Hemd ganz dreckig geworden. Die schönen, vorher blank polierten Schuhe waren voller Matsch. Er konnte nicht einmal sehen, wo er war, seine Brille ging kaputt. Eckige, randlose Gläser, brandneu, wenn ich mich recht erinnere, nicht wahr? Er sah jämmerlich aus. Fast so schlimm wie Jaron.«
    Mit einem Wutschrei schleuderte ich ihn durch bloße Willenskraft an die Wand. Wie konnte er von der Brille wissen? Wie konnte er wissen, was mein Vater am Tag seines Verschwindens getragen hatte?
    » Du traust dich ohnehin nicht, zuzustechen. Du würdest es nicht ertragen mit anzusehen, wie das Leben ganz allmählich aus meinem Körper fließt, meine letzten schwachen Bewegungen zu erleben, meine letzten Worte zu hören. Man vergisst sie nie, weißt du. Das hätte ich zu gerne bei Jaron erlebt. Wirklich schade, aber wenigstens bleibt mir die Erinnerung an deinen Vater. Es war nicht mehr als ein schlichtes, einfaches ‚Warum?’«
    Sein gesamter Körper ging in Flammen auf. Ich stürzte zu Boden, als die brennende Fackel, die einmal Jarons bester Freund gewesen war, gegen die nächste Wand geschleudert wurde. Er durchbrach sie und riss das halbe Gemäuer mit sich. Das Zittern erfasst nun meinen gesamten Körper. Darragh flog durch die flimmernde Luft, er bahnte sich seinen Weg durch die Flammen und die Ruinen, aus denen die halbe Stadt inzwischen bestand.
    Schließlich schleuderte ich ihn mit dem Genick voran gegen die Stadtmauer. Die von mir geführte, unsichtbare Hand ließ von ihm ab. Wie eine Kanonenkugel schoss er zu Boden und landete hinter der Mauer mit einem lauten Zischen im Fluss.

18. Leben und Leiden der Wissenden
     
     
    Eine gefühlte Stunde starrte ich nach draußen.
    Das konnte er nicht überlebt haben. Ich hatte Darragh umgebracht!
    Es war vorbei!
    Ein

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