Desiderium
verschaffte mir innere Ruhe.
Jaron hingegen starb geräuschlos, in völliger Ruhe.
Er lag auf einem großen Bett. Über seine Schienbeine war eine Decke ausgebreitet, sein Kopf wurde von einem Kissen gestützt.
Lilian hatte ihn gefunden und in sein Haus gebracht. Obwohl wir sie erst vor wenigen Stunden befreit hatten, schien es ihr verhältnismäßig gut zu gehen. Mein Unterbewusstsein musste sie gebeten haben, ihn zu ret ten; ich spürte es daran, dass ich durch ihre Augen hindurch auf Jarons schlaffe Arme neben ihr blickte.
Eine seiner Hände hing über der Bettkante. Lillian beziehung sweise ich drückte ihm zwei seiner eigenen Oberteile auf die schlimmsten Wunden, die sich augenblicklich mit Blut tränkten. Sie band eines der Hemden mit Druck um seinen Arm. Es war sicherlich nicht genug, aber was hätte man sonst tun können? Hilfe holen konnte ich nicht. Erstens weil ich nicht wusste, wer dafür in Frage kam und zweitens konnte man Jaron nicht noch einmal alleine lassen.
Es war schon schlimm genug, dass ich es zuvor hatte tun müssen.
Lillian ließ von seinem Arm ab und tupfte mit einem Waschlappen seine Stirn ab.
Er reagierte noch immer nicht.
Tränen begannen in Lillians Augen zu kribbeln.
Mich überkam das Bedürfnis, noch einmal mit Jaron zu sprechen. Selbst wenn es nur durch Lillian ging. Dann wüsste ich wenigstens, dass er auf dem Weg der Besserung war.
Er konnte nicht sterben.
Bitte, das hat er nicht verdient.
Kaum war mir das letzte Wort durch den Kopf geschossen, öffneten sich Jarons Augen einen Spalt breit.
Meine Verbindung zu ihm begann sich nach und nach wieder stärker aufzubauen. Wie schon im Turm spürte ich ihn, glaubte sogar einen kurzen Einblick in seine chaotischen Gedanken zu erhalten.
Jaron! Du kannst Darragh nicht gewinnen lassen.
Der Anflug eines altbekannten Gesichtsausdrucks huschte über sein Gesicht. Das Lächeln kam und verschwand so schnell, dass es durchaus sein konnte, dass ich es mir eingebildet hatte.
Lilli , dachte er zunächst; schwach, aber es war ein Gedanke.
Cassim! Das war mehr als nur ein Gedanke. Damit ging er auf die Verbindung ein.
Doch dann schlossen sich die Augen wieder. Das zerschundene, sonst so hübsche Gesicht wurde ausdruckslos.
Jaron, jetzt bleib gefälligst hier! Das kannst du uns nicht antun. Ich denke nicht, dass ich es ertragen könnte, wenn du stirbst.
Ich sagte das nicht nur, weil der ungewollte Tod meiner Sehnsucht etwas in mir zerreißen würde.
Darragh hatte Recht! Ein kaum vernehmbarer Satz in meinem Kopf; ein Echo einer Botschaft.
Darragh hatte vieles erzählt. Alles davon hatte meine Reaktionen gerechtfertigt; dass nicht alles wirres Zeug gewesen war, gab ich nur ungern zu. Jaron schien damit weniger Probleme zu haben.
Ein Ruck ging durch Lillians und meinen Körper.
Mir war klar, was das bedeutete, auch wenn ich es nicht akzeptieren wollte: Er näherte sich dem Punkt, an dem niemand mehr etwas für ihn tun konnte.
Heiße Tränen flossen über Lillians Gesicht; sie verfingen sich in ihren langen Haaren, ihrem Oberteil oder tropften auf seinen Körper. Ihr Körper begann zu beben, ebenso mein gesamtes Inneres.
Jarons Brust hörte auf, sich zu heben und zu senken. Sie erstarrte.
Nur wenige Sekunden später, als ich noch nicht mehr getan hatte als ihn fassungslos zu beobachten, begannen all seine Wunden wie durch Zauberhand zu heilen. Seine Umrisse allerdings wurden immer blasser. Ein durchsichtiger Schleier wehte über ihn herüber wie ein Windhauch, streichelte seinen Körper.
Als alles vorbei war, lag eine Sehnsucht vor mir, die Ähnlichkeit mit dem Mann hatte, in den ich mich verliebt hatte. Aber er war nicht mehr meine größte Sehnsucht. Seine Kleidung war frei von Blut, aber eint önig grau. Seine Augen waren geöffnet, aber regungslos. Das starke Silber war verschwunden. Eine stumpfere, nicht definierbare Farbe machte nun seine Augen aus. Es war ein gebrochener Ausdruck.
Er war ein Lebewesen der Stadt der Echos geworden.
Plötzlich sah ich nicht mehr durch Lillian, sondern stand selbst im Raum. Schmerz durchfuhr mich als würde mich eine glühend heiße Klinge vom Hals abwärts zerschneiden, ohne dass sie mich tötete.
Ich schrie!
Schweißgebadet kam ich zu mir.
Ich lag auf meinem Bett in der Villa meiner Großeltern und konnte mich nicht bewegen. Meine Muskeln versagten mir den Dienst.
Jaron , schoss es mir unvermittelt durch den Kopf.
Auf meinen Lippen schmeckte ich Salz, meine Wangen kribbelten. Ich
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