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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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die ihm verwuschelt zur Seite fielen und ihm etwas Verwegenes und auch Schelmisches verliehen.
    Als er den Kopf hob, bemerkte ich seine eckigen Gesichtszüge, die hohen Wangenknochen, das spitze Kinn; lediglich seine abstehe nden Ohren passten nicht ins Bild. Doch sie waren es nicht, an denen mein Blick einen Moment länger hängen blieb, sondern die hellgrauen Augen. Sie wirkten blass und undurchsichtig, als befänden sie sich hinter einem Schleier.
    Breitbeinig und mit großen, selbstsicheren Schritten überbrückte er die kurze Distanz zwischen uns.
    »Mein Name ist Jaron«, stellte er sich vor. Seine Stimme klang freundlicher als die des anderen, geradezu samten. Unweigerlich fühlte ich mich an das Gefühl frisch gewaschener Kleidung auf nasser Haut erinnert. Dennoch entging mir nicht, dass auch eine Distanz in ihr lag.
    An all dem wäre nichts auffällig gewesen, wenn er nicht Deutsch mit mir gesprochen hätte. Deutsch. Wie es in den letzten Jahren allerhöch stens meine Lehrerin getan hatte.
    Nun war es nicht möglich, ihn nicht anzustarren!
    Der sonderbare Eindruck, den er auf mich machte, verbesserte sich auch nicht durch seine Kleidung, die so ziemlich alles war , nur nicht zusammenpassend: Er trug eine knöchellange, beigefarbene Stoffhose, die das letzte Mal vor der Erfindung der Jeans modern gewesen war. Sie war dreckig, mit einem Loch am rechten Schienbein. Dagegen waren die blutroten Turnschuh hochmodern und brandneu.
    Es dauerte, bis ich seine ausgestreckte, langgliedrige Hand bemerkte. Sein Handgelenk wu rde von dem blauen Hemd verdeckt.
    »Ich bin Cassim.« Ich ergriff seine Hand, nur um im nächsten Moment zurückzuzucken.
    Ein leichter Stromschlag durchzuckte meine Hand – ein kurzer Schmerz, ein leichtes Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Und ich hätte schwören können, dass seine Augen aufgeleuchtet waren.
    Auch Jaron schien es gespürt zu haben. Ein überraschter Au sdruck huschte über sein Gesicht; sein Blick schwang zwischen seiner Hand und mir hin und her. Kaum merklich schüttelte er den Kopf und vergrub die Hand langsam, als traue er seinen Muskeln nicht, in seiner Hosentasche. Dann sah er wieder auf.
    Seine Züge verhärteten sich. »Freut mich«, bemerkte er wenig übe rzeugend mit einer Stimme, die kalt und schneidend wie Eissplitter war. Im nächsten Moment schien er sich zu besinnen. »Das ist übrigens Darragh«, bemerkte er mit einer Handbewegung, ohne den Blick von mir zu lösen.
    Darragh, wie Jaron ihn nannte, hatte kein Wort gesagt, uns allerdings beobachtet. Auch er stieg nun von seinem Tier ab. Er nickte mir knapp zu. »Cassim.« Das eine Wort reichte, um mir zu sagen, dass er äußerst irritiert war.
    Memo an mich selbst: Sehnsüchte sind nicht nur individuell, sondern eigenartig.
    »Du kommst nicht von hier, oder?«, fragte Darragh, als er seine Stimme wiedergefunden hatte.
    Freudlos lachte ich auf. Die Frage war nicht schlecht. »Nein. Das kann man so nicht sagen.«
    Neben mir öffnete Jaron den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Mit der Hand, die nicht in seiner Hosentasche steckte, ging er sich steif durchs Haar. Es hatte etwas Planloses an sich. Unter seinem blauen Hemd hob und senkte sich seine Brust deutlicher als zuvor.
    Ich dachte darüber nach, ob ich sie etwas fragen sollte. Wer sollte mir besser etwas über diese Welt erzählen können als die, die hier lebten? Aber auf die Schnelle fiel mir nichts Besseres ein als »Hey, seid ihr wirklich Sehnsüchte?« Und ich war mir sicher, dass ich gerade diese Frage nicht stellen sollte.
    »Was hast du mit deiner Hose gemacht?«, fragte Jaron in demselben Ton . In seinen Augen sah ich, wie er sich über sich selbst ärgerte. Nur war ich mir nicht sicher, ob er das tat, weil es selbst für Small- Talk eine uninteressante Frage war oder weil er mich angesprochen hatte.
    »Ach das.« Automatisch warf ich einen Blick auf meine verdreckte Hose. »Ich hab nicht drauf geachtet, was unter mir war. Im Gegensatz zu euch habe ich meine Füße benutzt, statt zu reiten.«
    »Und wie lange bist du schon hier?«, mischte Darragh sich ein.
    Bevor ich mehr tun konnte als meinen Blick zu lösen, umschlo ssen Jarons Finger mein Handgelenk. Um meine Haut nicht berühren zu müssen, schob er meinen Ärmel hoch, bis er das Ziffernblatt meiner Uhr lesen konnte. Wie von selbst beugte sich sein Körper zu mir.
    »Circa zwanzig Minuten«, sagten wir beide gleichzeitig.
    Ich hob gerade rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie ein Ruck durch Jarons

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