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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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der meines Familienbegründers Joseph war oder dass jede Reaktion darauf etwas mit Sehnsucht zu tun hatte.
    An seinen Worten ist was dran, sagte eine Stimme in meinem Kopf.
    Im Grunde hatte aber auch Alice nicht unrecht. Ich hatte drei Jahre lang ohne Gefühle gelebt, da konnte es doch nicht so schwer sein notfalls meinen Körper zu ignorieren. Doch dann kehrte die Erinnerung an das Porträt zurück und was es in mir ausgelöst hatte. Dieses Mal ließ es sich nicht wieder vertreiben. Als Nächstes dachte ich an einen weiteren Traum, in dem ich umhergelaufen und Dingen nachgejagt hatte, die gar nicht existierten. Mein Körper hatte sich angefühlt, als würden fünf verschiedene Personen an ihm reißen – und wieder hatte ich nicht das bekommen, was ich gewollt hatte. Das verbesserte meine Lage nicht gerade.
    Ich wandte den Blick von Alice ab und ballte die Hand zur Faust. Die Bilder waren schmerzhaft. Alles, was mit der Geschichte zu tun hatte, war schmerzhaft.
    Alice verdrehte die Augen. » Es ist schon so weit, oder? So viel zum Thema, du seiest die Obermackerin der Welt der Sehnsucht, die aber keine Sehnsucht verspürt.«
    »Quatsch«, erwiderte ich .
    »Fakt ist, ich erke nne eine Veränderung an dir. Da ist mehr als dein Pflichtgefühl. Und da es keine Neugierde ist, denn die erkenne ich auf 500 Meter Entfernung …«
    »Ach, bist du jetzt eine Expertin für Gefü hle?«
    Das war der Augenblick, in dem mich der Krampf durchzuckte. Stö hnend rollte ich mich zusammen, hielt die Hände auf Bauch und Brustkorb gedrückt.
    »Cassim!«
    Verschwommene Bilder tauchten vor mir auf, verschwanden jedoch so schnell wie sie gekommen waren.
    »Halb so wild«, behauptete ich mit schwacher Stimme. »Nicht schli mmer als …«
    »Ich hol dir was zu trinken. Keine Widerr ede! Soll ich noch eine Tablette mitbringen?«
    »Nein, nur Wasser.«
    Eine Minute später kehrte Alice mit einem Glas Wasser zurück und zwang mich, zu trinken. »Besser?«, fragte sie, als das Schlimmste überstanden zu sein schien.
    Ich nickte. »Besser. Danke.«
    »So etwas passiert dir nicht zum ersten Mal, oder?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du schlägst nachts um dich und, dass ‚es’ dir gehört und dass du es brauchst. Das hätte ich vorher ernster nehmen sollen«, erklärte Alice.
    Als meine Muskeln sich wieder entspannten, blieb ich liegen und strich mit einer Hand beruhigend über meinen Bauch. » Es sind bisher nur Alpträume«, gestand ich mit schwacher Stimme. »Schwache Muskeln. Leere. Aber die Krämpfe sind neu.«
    »Was hast das zu bedeuten?«
    Ich drehte den Kopf in ihre Richtung. »Sollten das die ersten, angekündigten Nebenwirkungen sein, weil ich nichts tue, dann möchte ich glaube ich nicht wissen, wie sich Dalila gefühlt hat.« Ich brauchte einen Moment, um nachzudenken. »Alice, ich glaube, selbst ich kann mich dagegen nicht wehren. Ich muss es tun. Nicht wegen dem Brief oder weil mein Großvater es verlangt. Nur für mich.«
    Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte ich gewusst, dass ich eines Tages nachgeben würde. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass es so bald sein würde. Mein Großvater hatte es gewusst. Aber das würde ich ihm niemals auf die Nase binden.
    Alice’ Protest änderte nichts an meiner Entscheidung.
    Die Nacht verbrachte ich halb mit einem weiteren Traum, halb lag ich schlaflos auf dem Sofa und starrte an die Decke. Gegen drei Uhr schüttelte mich ein weiterer Krampf, der mir die Luft raubte.
    Erneut ging ich die Gründe durch, weshalb meine Entscheidung die einzig Richtige war und stellte fest, dass ich selbst noch immer nicht hundertprozentig überzeugt war. Mein Körper schrie danach, am besten sofort die Welt der Sehnsüchte zu betreten, aber die Vernunft suchte noch immer nach Argumenten, hierzubleiben.
    Am nächsten Morgen verließ ich die Wohnung, noch bevor Alice aufwachte. Ich dachte nicht mehr darüber nach, was ich tat. Ich tat es einfach.
    Ich hätte jemanden über meine Rückkehr informieren sollen, aber derselbe Drang, der mich früher zum Porträt geschickt und jetzt schließlich zurück in die Villa geführt hatte, zog mich in den Keller.

5. Jaron, der missmutige Retter
     
     
    Düster war es in dem dunklen Kellergewölbe, als ich mich die Stufen herunter tastete. Sie waren steinig und steil, das Geländer wirkte prov isorisch. Von irgendwo hörte ich ein Rascheln. Eine Ratte? Ein Geist?
    Dass ich das letzte Mal hier gewesen war, war Jahre her, meine Schwester musste noch ein Kleinkind

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