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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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metertiefe Schlucht trennte sie davon.
    »Ich bleibe dabei, dass keiner von euch fliegen kann«, sagte Jaron. »Wie konnte das Portal dann genutzt werden?
    »Verschiedene Auserwählte veränderten die Umgebung. Es muss mal eine Brücke gegeben haben. Oder die Schlucht entstand erst später.«
    Jaron stellte sich vor, sie davon abhalten zu müssen, einen Übergang zu schaffen. Angesichts ihrer Verfassung in den letzten Tagen würde ein Versuch reichen, um ihre Uhr hektisch piepen zu lassen.
    Ein weiteres Bild zeigte einen Teil des Flusses.
    »Der ist kilometerlang. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich ihn mit dir entlang gehe, bis du deine sonderbare Anziehung verspürst. Das wäre die reine Zeitverschwendung.«
    Er hätte wissen müssen, dass sie das nicht davon abhalten würde. Keine seiner Warnungen nahm sie ernst. Von Tag zu Tag versteifte sie sich mehr auf alles, was sie erfuhr oder glaubte finden zu können. Wenn sie sie darüber sprachen, artete es vermehrt in Diskussionen aus, in denen sie auch häufiger auf die Theorie zurückkam, die Sehnsüchte könnten entführt worden sein.
    »Es ist mir ganz egal, was angeblich Regel ist und was nicht. Ich bin seit Monaten hier, wir sind jede andere Möglichkeit dur chgegangen. Sag mir, was bleibt, außer dass jemand sie ganz bewusst mitnimmt.«
    Ihre Fixieru ng bewirkte, dass sie ihre Uhr regelmäßig ignorierte. Wären das Erstickungsgefühl oder er nicht gewesen, hätte sie ihre Zeit mehrmals zu weit überschritten.
    Eines Tages, als es stürmte und regnete, sah er sich gezwungen, seine Drohung wahrzumachen. Cassim war zusammengesackt. Er zog die Ärmel seines Pullovers über die Hände, griff nach dem Stoff ihrer Jacke und trug sie so nah wie möglich vor das Portal. Ihr Protest blieb nur aus, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt zu sehr darauf konzentrieren musste zu atmen, als dass sie hätte sprechen können.

12. Von Menschen und Sehnsüchten
     
     
    Einige Tage später sah Jaron Cassim bereits von weitem.
    Sie saß in der Nähe des Portals, das in ihr Haus führte; an einem Baum gelehnt, hatte sie die Beine angezogen. Auf ihren Knien lag ein aufg eschlagenes Buch; nicht das vergilbte und viel dickere Buch der Eingeweihten, auch nicht das Tagebuch ihrer Vorfahren, das ihm die Haut verbrannte. Er fragte sich, warum sie hier war. Für heute stand weder eine Trainingseinheit noch ein weiterer Besuch in einer der Städte an, so weit er wusste, bestand ihr Großvater auf einen erneuten Tag Pause, weil sie sich in letzter Zeit regelmäßig überanstrengt hatte. Auch Darragh hatte bei ihrem Treffen am vergangenen Tag mit keinem Wort erwähnt, dass er sich mit ihr treffen würde.
    Das Verhältnis zwischen den beiden war zwar seit der sonderbaren Szene in der Stadt der Echos angespannter als üblich, aber das änderte nichts an ihrem Verhältnis als Eingeweihter und Auserwählte.
    Aber wenn sie sich weder mit ihm noch mit Darragh traf, was sollte sonst ein Grund für sie sein, hierherzukommen?
    Sie hasste die Welt der Sehnsüchte!
    Die Erkenntnis traf ihn, aber er wusste, dass es die Wahrheit war. Er hatte es ihr in den letzten Wochen häufig ansehen können: Sie wollte nicht so häufig hierher müssen. Für sie war diese Welt und alles, was dazugehörte, nicht mehr als ein einziger Zwang. Ihre Sehnsucht trieb sie entweder an diesen Ort oder eines Tages in den Wahnsinn. Und so oft sie ihm auch Dinge verheimlichte oder versuchte ihn anz ulügen, Jaron wusste, dass sie tatsächlich noch immer keine Ahnung hatte, wonach sie sich eigentlich sehnte.
    Vielleicht hatte er bisher nicht ernst genommen, was es bedeutete, zwischen beiden Welten hin- und hergerissen zu sein.
    Sie blickte erst auf, als er direkt vor ihr stand. Er spürte die Sonne heiß auf seinen Rücken scheinen, sein Schatten verdunkelte die Seiten ihres Buches.
    Als sie keine Anstalten machte, ein Gespräch zu beginnen oder wegz ugehen, ließ er sich ihr gegenüber auf den Boden sinken – eine Hand in der Hosentasche, die andere ging durch sein Haar.
    »Was liest du?«, fragte er mit ruhiger Stimme.
    Sie hob das Buch an, um ihm den Einband zu zeigen. Der Autor oder der Titel sagten ihm nichts. »Alice hat es mir gegeben. Sie ist immer noch der Überzeugung, dass ich einiges nachzuholen habe. Das hier geht, aber allmählich bekomme ich Kopfschmerzen von David Guettas Musik und Filmen mit Brad Pitt.«
    Jaron verkniff sich nur schwer ein Grinsen. »Wird da jemand nörg elig?«, zog er sie auf.
    »Wenn ich

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